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Freitag, 28. Juni 2013

467. Post. Kleine Kerne...Inventar in direkter Nachbarschaft zur Rohmaterialquelle

Sind die Ressourcen üppig, ist der Umgang mit dem Rohmaterial entsprechend großzügig...liegt die Siedlung weiter von der Rohmaterialquelle entfernt, wurde auch sorgsamer damit um gegangen, bzw. die Kerne vollständig aus genutzt...

so heißt ein Grundsatz, der sich in den Statistiken ( Vergleich des Gewichts der Restkerne) bestätigt und entsprechend nieder schlägt.
Sucht man einen Grund dafür, warum Kerne in direkter Nachbarschaft zu einer Rohmaterialquelle bis auf eine Größe von 2-3cm ab gebaut wurden, gibt es dafür mehrere denkbare  Erklärungen. Entweder war zu dieser Zeit die Rohmaterialquelle in Vergessenheit geraten, das Material damit knapp, oder aber die Zielabschläge waren in dieser Größe von Bedeutung, etwa für Schneiden für Kompositgeräte oder Kleinstbohrer. Damit bewegen wir uns also einmal in einer Art "Zwangslage", zum anderen eventuell in verschiedenen Zeithorizonten, denn im Mesolithikum beispielsweise spielen kleine Geräte in Kompositform eine große Rolle. 

Im Folgenden Kerne aus der den Pingen vom BORGERHAU am nächsten gelegenen Siedlung, die typisches Siedlungsinventar des Neolithiums zeigt. Auch die Klingenkerne sind typisch für eine Klingenindustrie. Was bewegt sind die Ausreißer aus der zu erwartenden Typologie und die vielleicht auch andere Zeithorizonte belegen. 


Kleinstkern 

Abschläge oder Modifikation?

Abschläge oder Modifikation?

oben und unten, Kleinkern mit zwei Schlagflächen. 




Kleine Klingen und Abschläge spielten wohl also eine Rolle, gleichwohl finden sich sehr große  Unifaces, Bifaces  und große Klingen auf ein und derselben Siedlung.

Es ist angerichtet...



Grau bis lila- das eher seltener auf zu findende Material...

Kern, Kratzer und Klingen. Lesefunde aus dem Borgerhau  bestätigen die mutmaßliche Herkunft aus den nahen Pingen. 



Keramik gibt es bislang nur sehr wenig von dieser Fundstelle.
Hier wurden noch gezielt Kleinstklingen ab gelöst...( 1-2cm)
Die Grenzen von Retuschierabfällen zu Klingen und Abschlägen fließen...

Die meisten größeren Fundstellen sind deutlich durch neolithische Siedlungen geprägt. doch auch sie weisen unzweifelhafte Komponenten z.T. weitaus älterer Kulturstufen auf. Die Entwicklung der Menschheit hat sich hier mehr oder weniger nachweisbar vollzogen. Was wir versuchen in Kulturen und Kulturgruppen zu gliedern war ein kaum ab zu grenzender Prozess. Die Artefaktmorphologie liefert dazu einen wichtigen, aber letztlich unzureichenden Anhaltspunkt. Während die Zeit der Linienbandkeramik durch das Aufkommen von Landwirtschaft, Tierhaltung, Keramikproduktion geprägt ist und deshalb deutlich erkennbare Produkte hinterließ, die sich von den archaischen Jägerkulturen deutlich unterscheiden, ist die Abgrenzung der lithischen Hinterlassenschaften älterer Zeugnisse nicht ganz einfach. Auch auf der Blaubeurer Alb hat sich dieser Wandel wohl nur allmählich vollzogen und das naive Bild von in Massen einwandernden Bauern aus dem Osten, die die "ansässige", tradierte Kultur ablösten ist sicher falsch. Wie sich der Wandel im Einzelnen vollzogen hat ist über das lithische Inventar der hier vorhandenen Lehmdecken nur bedingt nach vollziehbar, bildet jedoch den einzig greifbaren Anhaltspunkt. Alle organischen Materialien sind längst vergangen, intakte Stratigraphien abgepflügt und verlagert, intakte Schichten gilt es zu finden- kein Zeitgenosse berichtet uns und allein das Bodenarchiv kann Auskunft geben, dessen Sprache wir studieren müssen. Ein Schlüssel, für den der Schutz die höchste Priorität genießen muss, damit die Aussagen noch lange konserviert bleiben, weil wir immer besser verstehen diese Sprache zu lesen. 
Schon Gustav Riek, der Erforscher der Blaubeurer Brillenhöhle schrieb 1969 (- Das Paläolithikum der Brillenhöhle bei Blaubeuren/Schwäbische Alb)(Zit.)..."Die Brillenhöhle fällt in einen Bereich der Schwäbischen Alb, der während des Paläolithikums als stärker besiedelt zu bewerten ist. So sind zu erwähnen: der Hohlefels in Hütten, die Schmiechener Grotte, der Kogelstein in Schmiechen, der Hohlefels bei Schelklingen, der Ganserfels bei Schelklingen, der Sirgenstein im Aachtal, das Geißenklösterle bei Weiler und die Große Grotte bei Blaubeuren. Unverkennbar lockten die Gewässer der Schmiech, Ach und Blau das Tier und dessen Jäger in den Raum der Blaubeurer Alb. Auch die Moorbildungen im Schmiech - und Blautal, Erscheinungen ungleichartiger Aufschotterungen, mögen örtlich schon als Suhlbezirke spätpleistozänen Großwildes eine Rolle gespielt haben. Die Hauptversumpfung des Blautales setzte jedoch erst in der Nacheiszeit ein, wie aus dem bis zu 10 m mächtigen Schlamm- und Torfablagerungen hervorgeht. In welchem Ausmaße die Paläolithiker auch auf den Höhen der Flächenalb der Jagd auf bestimmte Tiere oblagen, können wir mangels Streufunden noch nicht sagen. Zuvor müßten die Vorkommen von Lehmdecken mit Lößanteilen sorgfältig durchforscht werden, insbesondere in der Umgebung von Seißen und Sonderbuch....
...Bei Berücksichtigung der Höhenlagen der Blaubeurer Alb und der sie durchschneidenden Täler sind ohne Zweifel gewisse Einblicke in die ehemals im Pleistozän hier bestehenden klimatischen Verhältnisse während der Würmeiszeit möglich...man kann schließen, dass zur Würmeiszeit die absoluten Niederschlagsmengen erheblich kleiner waren. Schon Keßler und Klute haben darauf hingewiesen, dass im Pleistozän, insbesondere die sommerlichen Niederschläge geringfügig gewesen sein müssten. Vermutlich ist auch aus diesen Gründen die Schwäbische Alb von den paläolithischen Jägerscharen stark begangen worden...." (Zit.Ende)
Bei fast allen Fundstellen fällt auf, dass die Artefakte unmöglich ausschließlich aus einem eng begrenzten Zeitraum stammen können. Auf den Oberflächen erscheinen die Artefakte jedoch ohne jeden weiteren Kontext und sind letztlich nur durch das sorgsame Einmessen zu assoziieren. Der Prozess der landwirtschaftlichen Nutzung lässt sich nicht aufhalten und setzt zudem die Zerstörung der Artefakte selbst durch Kantenbestoßung und Zerschlagung fort. Durch die Pingen vor Ort, im Kontext mit den umliegenden Siedlungen, den Höhlen im Tal,  kommt der Kulturlandschaft Blaubeurer Alb eine große Bedeutung zu. Hier liegt noch Forschungspotential für viele Generationen. Die Hinterlassenschaften der Altsteinzeit und die der  Mittelsteinzeit (Mesolithikum) die den Siedlungen der ersten Bauern vorausgingen sind sehr wahrscheinlich auf den Ackerflächen der Blaubeurer Alb erhalten und nachweisbar. Man muss sie nur finden.
Es muss nicht alles neolithisch sein, was auf den Oberflächen der Blaubeurer Alb im Regen glänzt....

Eine Auswahl kleiner, teilweise getemperter Kerne um Sonderbuch. Das Tempern war eine Spezialtität des Frühmesolithikums (Beuronien)

Mutmaßliche, teils  getemperte,  mesolithische Kerne aus Sonderbuch

oben links ein bipolarer Kern - mit zwei gegenüber liegenden Schlagflächen und kleinsten Ablösungen. Rechts davon ein Kleinstkern mit zwei Schlagflächen die quer zueinander angelegt sind/waren. Bei diesen Kleinformen sind die Grenzen von Modifikation/ Retusche/retuschierte Werkzeuge zu Restkernen, also Kerne die sich im Abbauprozess befinden, schwer zu bestimmen.
Durch des intentionelle Erhitzen (Tempern)  des Rohmaterials wurden dessen Schlageigenschaften verbessert. 

Ob 1 kg oder nur wenige Gramm- artefaktmorphologisch dasselbe: Kerne...

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