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Donnerstag, 30. Oktober 2014

526. Post. Das "archäologische Jahr" in Sonderbuch 2014

Wie jedes Jahr versuche ich eine kleine Zusammenfassung der Erkenntnisse eines Jahres zu verdichten und zu resümieren...

denn in ungezählten Stunden der Geländebegehung gibt es, wie nur der regelmäßige Leser weiß, Neuigkeiten, die das Dunkel der frühen Besiedelungsentwicklung weiter erhellen. Sollen private Sammlungen jedoch in wissenschaftliche Auswertungen einfließen, braucht es aber zwangsläufig bedeutende und einmalige Funde. Nur sie wecken das Interesse der chronisch unterversorgten Landesarchäologie.  

Verschwindend sind so die Neufunde z.B. gegen die spektakuläre Museumseröffnung des Urmu in Blaubeuren, über den auch UMGEPFLÜGT berichtet. Es ist die große, bedeutende Anlaufstelle im Raum, der die Interessenten der Urgeschichte anzieht und in Zukunft anziehen wird. Es ist der Ort, an dem sich Wissenschaft und interessierte Laien begegnen können und wo die ersten Kunstwerke der Menschheit im Original Wissenschaftler und Laien gleichermaßen anziehen und anziehen werden und wo es Originale an dem Ort zu bestaunen gibt, wo sie einst niedergelegt wurden und sich bis heute erhalten haben, Archäologisches Erbe als Sachquelle zur Natur- und Kulturgeschichte der Menschheit im Kontext der Denkmale als Orte der Erinnerung, die Höhlen mit ihren naturräumlichen und topographischen Eigenarten, Artefakte im Kontext des Bodendenkmals, eines Bodendenkmalensembles und eines größeren Denkmalbereichs, eine Einheit mit der Bodendenkmallandschaft, die auf dem Wege ist, Anerkennung als Weltkulturerbestätte zu erfahren. 

Verschwindend also fast, was quasi "darum herum geschah und vor allem danach". Ausgehend vom mittleren Paläolithikum hat sich hier der Mensch aufgehalten, gelebt, gesiedelt und Vieles hält der Ackerboden noch verborgen.

Auf der Suche nach dem Mittelpaläolithikum bis hin zum Mesolithikum fanden sich weitere, neue Anhaltspunkte im Kontext der neolithischen Siedlungen, ohne jedoch zentrale Fundstellen zu Erkennen zu geben, die weiterhin fehlen. An zahlreichen Fundstellen weist der Oberboden eine nur geringe Mächtigkeit auf, weshalb sich der Pflughorizont ebenso "gering tiefgründig" zeigt. Der Landwirt hat kein gesteigertes Interesse, auf die nur in geringer Tiefe liegenden Kalksteine des Juramassenkalks zu stoßen. In Börslingen erwies sich dies geradezu als Glücksfall und dort haben sich im Umfeld der Lonetalhöhlen Hornstein-Abbaustellen in nur geringer Tiefe von kaum 30cm unversehrt und unangetastet erhalten können. Die dünne Humusschicht sorgte dafür, dass an dieser Stelle bis in die Neuzeit hinein nur eine Beweidung durch Schafe, und erst mit dem Aufkommen der künstlichen Stickstoffdüngung eine intensive Bewirtschaftung möglich war.

Professor Harald Floss hat, nach den Professoren Müller-Beck und Conard im Fundmaterial der Sonderbucher Absammlungen mittelpaläolithische Artefakte (Werkzeuge des Neandertalers) identifiziert. Eine angekündigte Konsultation meiner Sammlung durch Professor Harald Floss hat zu meiner ganz besonderen Freude Ende November statt gefunden. Die Oberflächenfunde des Paläolithikums scheinen spätestens seit den Funden in Börslingen in den engeren Fokus der Wissenschaft gerückt zu sein. So scheint zumindest was das Mittelpaläolithikum angeht, das Interesse der Universität Tübingen und forschenden Archäologen größer zu sein als das der Landesarchäologen und ihren Behörden. Für neue Funde und Fundstellen finden Sammler oft eher die richtigen Worte als das richtige Ohr. 

Ähnliches gilt vielleicht für zwei neue Fundstellen auf Sonderbucher Markung, die zu vergleichsweise später Zeit unter den Pflug genommen wurden. Bis in die Neuzeit hinein befand sich hier Wald. Die neuen Siedlungsstellen liegen in Nähe der Hornstein-Lagerstätte am Blauberg und es zeichnet sich ab, dass um diese Lagerstätte sich ebenfalls - wie beim Borgerhau - Siedlungen gebildet haben. Dabei waren die Lagerstätten sicher  e i n  Gunstfaktor für die Wahl von Siedlungsflächen, der wird aber wohl neben der Eignung für die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen und zugunsten von Wasserversorgung zurückstehen. Wieder sehr auffällig ist, dass sich die Siedlungsstellen um natürliche Erdfälle gruppieren, wie auch an anderen Stellen auf den Gemarkungen Asch, Sonderbuch und Wippingen. Viehhaltung war sicher ohne Wasserstellen nicht möglich und es bleibt für mich die spannende Frage offen, ob diese Dolinen/ Erdfälle als natürliche Wasserspeicher eine Bedeutung gehabt haben könnten. Eine unweit davon, unterhalb gelegenes Flurstück heißt heute noch aus nach vollziehbaren Gründen "Teich" und dürfte - inzwischen "trocken gefallen" - die höher liegenden Flurstücke wohl heute noch entwässern. Über Brunnen und Wasserversorgung gibt es vergleichsweise wenig Forschung. Zu den Fundmeldungen gibt es noch keine Rückmeldungen von der zuständigen Denkmalbehörde. Auch die sicher in die Zeit des Neandertalers zu datierenden Werkzeuge wurden im Bereich eines noch bestehenden und mehrerer schon länger zugeschütteter Erdfälle gefunden. Ein Lagerplatz an alten Wasserstellen ist ein zu verlockender Gedanke und wäre durch Grabung leicht zu überprüfen.

Eine kleine, neu erkannte Lagerstätte zwischen dem Borgerhau und den Sonderbucher Siedlungen zeigt, dass neben den ergiebigen Pingen im heutigen Borgerhau auch kleinere Vorkommen aus gebeutet wurden und vielleicht auch das Auflesen von Hornsteinen in den Feldern der Neolithiker eine gewisse, untergeordnete Rolle gespielt haben könnte. Überhaupt wird durch Einzelfunde zwischen den zentralen Fundpunkten (Siedlungen) deutlich, dass es wichtig ist auch auf diese vermeintlich leeren Zwischenräume ein Augenmerk zu richten. Absammlungen spiegeln sehr subjektive Vorgehensweisen wider. und es ist nicht verwunderlich, dass von Orten die am intensivsten begangen werden auch die meisten Funde vorliegen. Die meisten Sammler beschränken sich bei den Absammlungen auf die Siedlungen, die Bereiche von Häusern, wo die meisten Funde zu erwarten sind. Die Peripherie und Aktivitätszonen, die sich darum herum entwickelten werden dabei oft zu Unrecht vernachlässigt. Ernsthafte Feldforschung aber kann sich unmöglich nur auf schon bekannte Siedlungsstellen und dort auf möglichst attraktive Fundbelege fokussieren.
In der Nähe von Ascher Siedlungen fand sich diesen Frühsommer ein großes Fragment einer Axt auf einer Stelle, die sonst (noch) keine weiteren Anhaltspunkt für einen längeren Aufenthalt der neolithischen Bauern zeigte. Ein Fundbeleg für die vorangestellte Ausführung.

Eine weitere, neue Fundstelle, dem ersten Anschein nach frühneolithisch, gab sich auf Wippinger Markung Nordöstlich des Ortes zwischen dem Lauter- und dem Blautal zu erkennen. Gegen Ende des Bergsporns öffnet sich das Tal nach Ulm, der Donau hin, ein Ort, der auch in jüngerer Zeit territorialgeschichtlich/ strategisch immer wieder von Bedeutung war. So haben die Einwohner von Wippingen nicht nur im 30jährigen Krieg, sondern auch davor und danach wohl sehr gelitten. Die Oberamtsbeschreibung von 1830 berichtet, dass während der Belagerung von Ulm 1704 der Ort starke Einquartierungen hatte und vor der "Höchstädter Schlacht das ganze vereinigte Heer durchzog mit dem Prinz von Savoyen und dem Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg, die in Wippingen ihr Nachtquartier bezogen" (spanischer Erbfolgekrieg,
http://www.blindheim.de/schlacht1704/index.html / )
Heute versperrt die Bewaldung der Talhänge weitgehend die Sicht, aber ein freier Blick auf das Ulmer Münster ist von der neolithischen Siedlungsstelle aus gut möglich. Ein weiterer, guter Sichtkontakt muss zu der nahen Siedlung des Höfermahd bestanden haben, deren Existenz schon sehr viel länger bekannt ist und nach Aussagen eines Bauern schon in den 1950er Jahren von einem "Ulmer Lehrer" begangen worden sein soll. Die neue Siedlung erstreckt sich über mehrere Felder, kann jedoch nicht genau eruiert werden, da ein Besitzer eines Ackers die Prospektionen nicht duldet, was zu respektieren ist. Spornlagen, bei denen in diesem Falle zwei Nebenflüsse der Donau zustreben, waren immer wieder bevorzugte Lagen für Lagerplätze und Siedlungen. Auch von dieser Fundmeldung (Erstmeldung) gibt es bislang noch keine Rückmeldung von der zuständigen Denkmalbehörde.

Dies ist dann auch die Gelegenheit allen übrigen Landwirten der Blaubeurer Alb für die Duldung der Begehungen und das sehr gute Einvernehmen auch in diesem Jahr besonders zu danken. Die Bevölkerung zeigt sich wie die Landbesitzer interessiert und versöhnlich.  Lassen Sie es mich mit den Worten des Obersteuerrats von Memminger der Oberamtsbeschreibung von 1830 sagen: "Der Charakter (der Einwohner) ist im Allgemeinen, wie überhaupt bey den Alpenbewohnern, gutartig und friedfertig. Rechts- und andere Streitigkeiten, Verunglimpfungen, Schlägereien und dergleichen kommen selten vor, nur der vormals elchingische Ort Tomerdingen macht in dieser Beziehung eine unvorteilhafte Ausnahme..." Ich gehe davon aus, dass die Bewohner von Tomerdingen inzwischen vollständig rehabilitiert sind. Das Interesse an den Bodendenkmalen ist bei der ansässigen Bevölkerung ungebrochen groß und eine zweite Auflage einer Ausstellung wurde mehrfach angefragt, ist jedoch nicht vor gesehen. Das blog entstand als Fortsetzung der Ausstellung vom Jahre 2004 und soll auch so verstanden werden. Der zeitliche Aufwand, Einzelartefakte aus einem System aus zu scheren und hinterher wieder in das System zurück zu führen , wäre unverhältnismäßig aufwändig, zumal die neuerlich erfassten Geodaten (Einmessung in der Fläche)  in der Zuordnung verloren gehen könnten. Das wäre nur möglich, wenn die Artefakte schon eine endgültige Beschriftung erfahren hätten, was aber noch nicht der Fall ist. Entscheidend wird dafür sein, wo die Sammlung nach Abschluss ihren Platz finden wird. Zudem spiegelt das blog nahezu ausschließlich die lokale, hauptsächlich neolithische Geschichte der Blaubeurer Alb, die in keinem Museum zu finden ist.

Klopfkugel aus Kern, Kratzer und Schlagstein aus LBK-Zusammenhängen, Oktober 2014
Ein auffällig gesteigertes Interesse des blogs UMGEPFLÜGT zeigt sich durch zahlreiche Zugriffe im Bereich der Metallfunde und dem Thema "Sondengänger", der Suche nach Relikten der Geschichte mit Hilfe einer Metallsonde. Im blog wurden nie Sondenfunde, vor gestellt, sondern ausschließlich Lesefunde, die Ergebnisse der klassischen Prospektionsmethode, die ohne technische Hilfsmittel auskommt und keine Bodeneingriffe vornimmt. Aber auch die Wegnahme von Teilen von Denkmalen wie Steinartefakte oder Keramikscherben verlangt zwingend die Dokumentation und in jedem Falle auch die Fundmeldung. Systematische Suche setzt immer eine Genehmigung voraus. In das durch flyer beworbene Ehrenamt als Ehrenamtlich Beauftragter kommt man schwer bis gar nicht und vermutlich kommt die Überalterung der "Heimathirsche" daher , dass das Interesse von jungen Leuten in diesem Bereich nicht wahrgenommen oder ignoriert wird. In meinem Falle vergingen auch schon dreißig Jahre, ohne dieses Ziel zu erreichen. Wenn man den langen Atem nicht verliert, entspricht man irgendwann wirklich dem hohen Durchschnittsalter, den Ehrenamtliche meist aufweisen. Um überhaupt als Laie den Status eines ehrenamtlichen Mitarbeiters zu erlangen, hilft am ehesten der Kauf einer Sonde und die Absolvierung einer relativ kurzen Schulung und Sie sind dabei. Spezielle Vorkenntnisse ( etwa archäologische) sind dazu nicht notwendig.  Das Prozedere ist relativ einfach und jedermann über die offiziellen Internetseiten der Baden württembergischen Denkmalpflege zugänglich. Der Einsatz von Metallsonden beschränkt sich in Baden Württemberg derzeit auf überplante Flächen und ist mit Einzelgenehmigungen verbunden, die der legitimierte Sondengänger auch vorlegen kann. Sondengehen ohne Auftrag der Denkmalpflege ist auch weiterhin mit strengen Einschränkungen und Verboten verbunden. Öffentliche Diskussionen und neue Denkansätze lassen hier in Zukunft möglicherweise weitergehende Veränderungen erwarten, da Verbote alleine nicht aus zu reichen scheinen. Der Feldbegeher alter Schule empfindet den Einsatz der Metallsonde meist als "unsportlich" und der Fokus allein auf Metallfunde wird einer gründlichen Prospektion nicht ausreichend gerecht, zumal über Metalle nur ein Bruchteil von Denkmalen erkannt werden kann. Der Schaden, den ein Eingriff in intakte Befunde beispielsweise wegen der Bergung eines neuzeitlichen, unbedeutenden Projektils in den oben beschriebenen ungestörten Befunden einer urgeschichtlichen Stätte an zu richten vermag, ist offensichtlich und kontraproduktiv. Sicherlich sind nicht alle Flächen derart sensibel, doch nicht umsonst definiert der Gesetzgeber in Baden Württemberg auch Denkmale als solche, die noch nicht erkannt sind, setzt zu deren Auffindung und Suche Genehmigungen voraus und stellt sie präventiv unter Schutz. Melden Sie daher zufällige Funde der Ortsverwaltung, den Denkmal -Behörden oder einem ehrenamtlich Beauftragten der Denkmalpflege. In der Regel werden Fundstellen in die Denkmalliste ein getragen und genießen dann auch einen besonderen Schutz, über den es internationale Übereinkünfte gibt. Durch die neuerliche Einbeziehung von Sondengängern in der Baden Württembergischen Denkmlapflege werden alle Altersgruppen, erfreulicher weise aber auch Jüngere an gesprochen und ein bezogen, was über die Affinität zu einem technischen Gerät erfolgt und somit ein hoffentlich geeignetes Vehikel werden kann, prinzipiell Geschichtsinteressierte für die Belange der Denkmalpflege und der Archäologie zu sensibilisieren und sie so konstruktiv ein zu binden. Der persönliche, finanzielle und zeitliche Aufwand den die Hobbyisten hier jetzt schon investieren ist nicht unerheblich und da ich an diesen Prospektions- und Schulungsmaßnahmen seit einem Jahr teil nehme, ist es wie für viele andere auch, die einfachste Möglichkeit sich ehrenamtlich für die Sache Denkmalpflege im Rahmen eines landesweiten Programms ein zu setzen. Die Prospektionen ( Suche nach Metallgegenständen auf überplanten Flächen und Dokumentation derselben, heißt einmessen in der Fläche) erfolgen nach Einzelaufträgen. Nach Abschluss der Schulung (April 2015) werde ich dafür in unserem Raum - also meist auf Baustellen bzw. zukünftigen Baustellen im Auftrag des Referatsleiters in Tübingen ein gesetzt. Die Zusage hier wurde bereits ausgesprochen. Die Ergebnisse werden nicht in diesem Rahmen veröffentlicht. UMGEPFLÜGT zeigt weiterhin nur reine Lesefunde des Sammlers.

Zwar kann man konsequenter Weise, wie bei mir oft zu lesen und zu hören ist, alle archäologischen Relikte als Erbe der Menschheit ansprechen und es gibt Archäologen, die trotzdem längst nicht alles für erhaltenswert halten, weil nach ihrer Meinung nicht alles für immer erhalten werden kann und Selektionsmaßnahmen bis hin zur Vernichtung der stetig anwachsenden Menge an Bodendenkmälern und Fundstücken notwendig machen soll. Wer seine Geschichte verliert, verliert seine Identität. Das gilt für den Einzelnen ebenso wie für einen Ort, eine Region, als auch für ein ganzes Land. Bodendenkmäler sind Zeugnisse, Belege und fassbare Orte der Erinnerung an unsere Vorfahren, vor Ort, wichtig für das Selbstverständnis der heutigen Bewohner. Regionale, kleine Museen wie sie zahlreich in den letzten Jahren entstanden sind erscheinen deshalb sinnvoll, weil sie Identität zu stiften vermögen. Sie ermöglichen den direkten Zugang zur Geschichte und wecken Neugier, Interesse und Verständnis, machen Geschichte fassbar und anfassbar, bildet unsere Kinder sorgsam und verantwortungsvoll damit um zu gehen und die Verantwortung dereinst zu übernehmen und weiter zu tragen. Jakob Grimm wird der Satz zu geschrieben: "Wer seine Heimat liebt, muss sie auch verstehen wollen, und wer sie verstehen will, der muss überall in ihre Geschichte einzudringen versuchen"

Blaubeuren und seine Täler, die Höhlen, aber auch die Hochflächen der Alb bergen noch zahlreiche Fundstellen als beredte Zeugen unserer Geschichte, für die wir heute Verantwortung tragen. Verantwortung heißt, sie zu schützen, wo es notwendig ist auch zu bergen, und sie zu vermitteln. Verantwortung heißt, sie unseren Kindern zu übergeben. Die, wie sie gern genannt werden möchte "Hauptstadt der Urgeschichte" hat für den Zeitraum des Paläolithikums, der Frühzeit menschlichen Kulturschaffens, diese Verantwortung übernommen und trägt sie in das Bewusstsein der Bevölkerung, denn nur dort fest verankert hat unser Erbe die Chance in die Zeit moderner Herausforderungen hinein zu überdauern. Ich persönlich wünschte mir, dass auch andere Zeiträume der lokalen Geschichte vor Ort in dieser Weise fassbar und "anfassbar" erhalten werden könnten. Doch wenn sie erfasst sind, behalten sie auch im langen Dornröschenschlaf der Depots ihre Aussagen für die Nachwelt.
Jedem Menschen erschließt sich Geschichte anders bis gar nicht. Möglichst alle primären Quellen zu erhalten mag ein nicht zu erreichendes Ideal darstellen, aber ohne ein Ideal, ohne ein Ziel wird alles, was wir nicht immer unangetastet vorfinden noch mehr zum Fragment, schon weil es unmöglich scheint etwas Altes zu erhalten ohne etwas Neues zu schaffen. Für Manche mögen die Relikte der Vergangenheit nüchtern zu analysierende Objekte sein, auf die sich ein wissenschaftlich nüchterner Wissensdurst gründet, für die anderen erschließen sie sich auch emotional, über Herz und Seele. Man darf das gerne belächeln, aber es geht nichts über jenen Moment, in dem der Zufall dem Finder ein Artefakt in die Hände spielt, das zuletzt vor vielen Tausend Jahren ein Mensch in der Hand gehalten hat. Es ist sogar Leben in den Steinen, die zu uns sprechen. Wir stehen auf den Schultern unserer Ahnen.


Eintauchen in einen Brunnen aus Zeit,
sich verlieren zwischen Generationen,
dem Labyrinth von Geschlechtern folgen,
das Irrlicht des Anfangs suchen.

Kriege erleben und Hungersnöte,
Seuchen und Feuersbrünste.
Dabei wie Gott sein,
ergriffen und unbeteiligt,
mit dem Wissen
von Jahrtausenden.

Tiefer und tiefer steigen,
um jene zu treffen,
die als erste den Boden bestellten,
der sie später verschlang
und mich trägt.
Ihre und meine
geborgte Heimat
auf Zeit.     (W. Somplatzki.)


Mit freundlicher Genehmigung des Autors W. Somplatzki.

Welcome Visitors form China.

Montag, 27. Oktober 2014

525. Post. Der "wilde Feuerstein, den die Bauern Stahlfresser nennen..."

In einer Ortsbeschreibung von Blaubeuren und Umgebung des Pfarrers Jeremias Höslin von 1798 heißt es:

"...achatartige, bunte Feuersteine werden auf hiesigen Feldern gesammelt, die nachher zu Flinten- und Pistolensteinen geschliffen werden. Unreiner Achat wird aller Orten angetroffen, den die Bauern wilden Feuerstein und Stahlfresser nennen...."

"...(Hornsteine)...werden von den Bauern Stahlfresser genannt, weil sie durch ihre Härte gemeiniglich etwas von dem (Anmerkung:Feuer)-Stahl abreissen..."Jeremias Höslin 1798

Feuerstahl /(Replik Frank Trommer)  und Hornstein ( Fundort: Wirtschaft zur Germania, Sonderbuch, Beim Umbau unter dem Stallgebäude gefunden) 
Da tauchen verschiedene Begriffe auf, die einer Erklärung bedürfen. 

Unter den "achatartigen Feuersteinen" ist sicherlich der hier in primären Residuallagerstätten aus gepflügte und in sekundären Lagerstätten (Borgerhau) anstehende Hornstein gemeint, der schon in der Steinzeit hier Verwendung fand. Sie erscheinen bunt, durch ihre Entstehung als Sedimentgestein, durch Bänderungen verschiedenartiger Ablagerungen auf dem Meeresgrund und Einschlüsse bei der Sedimentation. Irgendwann im Verlaufe der Bronzezeit verlor der Werkstoff seine Bedeutung mehr und mehr als Rohstoff zur Werkzeugherstellung, nicht aber durch seine Eigenschaft bzw. Eignung zum Feuerschlagen, und wie Höslin beschreibt wohl auch durch seine Verwendung in Steinschlossgewehren.  Höslin beschreibt die markanten Rohstoffe noch an anderer Stelle, als "Geschiebe vom Kieselgeschlechte wie: Feuersteine, Hornsteine, Achatsteine, die sich überall auf den Feldern der Alp zerstreut (finden), namentlich zu Seißen, Asch, und Sunderbuch..."
Neben den im großen Stil eingehandelten Feuersteinen zum Feuerschlagen und Flintensteinen für die Steinschlossgewehre wurden die weniger "schusshaltigen" vor Ort wohl kaum in den Gebrauch für militärische Zwecke geflossen, also verkauft und verhandelt worden sein. Zum Feuerschlagen mit dem Feuerstahl dürften sie aber sicherlich aus gereicht haben, waren kostenlos frei und in großem Maße auf den Feldern verfügbar und so manches ausgepflügte Artefakt dürfte hier unerkannt schon in frühen Zeiten ein unrühmliches Ende als "Feuerstein zum Funkenlösen" oder als Flintenstein gefunden haben, da Höslin die Gewinnung  des Materials mittels Absammlung von den Feldern beschreibt. 

Was nun die Annahme betrifft, hier seien die "Achate" zu Pistolensteinen geschliffen worden, dürfte sich der Chronist wohl irren. Vielleicht hat Höslin die speckig glänzenden, im feuchten Zustand und bei härteren, dichteren Materialien sogar spiegelnden Flächen fälschlicherweise als "Schliff" interpretiert. Für einen zivilen Einsatz können die sicher minderwertigeren, quasi wohlfeilen Flintensteine im Gegensatz der im großen Stil verhandelten französischen Steine  durchaus aus gereicht haben. Auch im zivilen Einsatz wurden Flinten gebraucht, z.B. waren schon dem Namen nach der Waldschütz und der Feldschütz, mit Schusswaffen aus gerüstet, die über die Ordnung in den Fluren wachten, Ebenso waren sie für Jagdwaffen notwendig. Entsprechende Verdachtsstücke sind aus Oberflächenfunden bislang nicht erkannt worden. Der Hinweis ist auf jeden Fall ein interessantes, historisches Dokument lokaler Hornsteinnutzung bis in die Neuzeit hinein. 
Der Feuerstahl ( oft auch Feuereisen) zum Feuer/Funken-schlagen hielt sich ebenfalls sehr lange und verschwand erst mit dem Aufkommen des Schwefel- oder Zündhölzchens. Der Feuerstahl nutzte sich beim Gebrauch an dem harten Kieselgestein ab, der wohl zu dem landläufigen Namen Stahlfresser führte. Das wiederum spannt einen Bogen bis in die heutige Zeit:
Während einer Begehungspause unterhielt ich mich mit einem Landwirt, dem das begangene Feld gehört über den Hornstein und er war überrascht, welche Härte das Material doch hat und kam zu dem Schluss, dass es wohl den herumliegenden Hornsteinen geschuldet sein muss, dass sich die Messer seiner Kreiselegge so schnell abnutzen, ja einkürzen und er nicht unerfreut darüber sei, wenn diese "Stahlfresser" von den Oberflächen ab gelesen werden weil sie jedwedes Eisen- und Stahlgerät auf die Dauer verstumpfen.


Oben: Neolithische Kratzer aus Hornstein ( "wilder Feuerstein") und Flintensteine französischer Provenienz (Meusnes)
Links beginnend: Kratzer, Flintenstein, Kratzer, Flintenstein, Kratzer, Flintenstein. Noch ist kein eindeutiges Belegstück eines Sonderbucher Flintensteins bekannt. Was auf den Feldern aufgesammelt und dazu verarbeitet wurde, ging irgendwann wohl auch wieder verloren. Vielleicht versteckt sich so ein Stein irgendwo zwischen den Hunderten von Kratzern von Sonderbucher Äckern...
Höslin beschreibt die Gewinnung von Hornstein zur Verarbeitung zu Flintensteinen in der Ortsbeschreibung von Sonderbuch. Wer die Verhältnisse, im Besonderen die Fundfrequenz und die großflächigen, wenn auch oft nur sporadischen Vorkommen  hier auf der Blaubeurer und Ulmer Alb kennt kann sich gut vorstellen, dass dies auch für andere Alborte hier gelten wird und insbesondere in Zeiten geringer Erwerbsmöglichkeiten Bedeutung gehabt haben mag.