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Mittwoch, 25. Dezember 2013

490. Post. Silber zum Jahresausklang...

Willkürliche Auswahl an Funden von Sonderbucher Feldern: Oben eine D-förmige Bronzeschnalle von einem Pferdegeschirr, wohl neuzeitlich, links darunter eine Ankerdornschnalle des frühen 18. Jahrhunderts, daneben, Mitte zwei Scheibenknöpfe, der große mit Schildbuckel  aus Arsenbronze, 18.Jh; der kleine aus Kupfer gut hundert Jahre älter; unten links ein frühneuzeitlicher Lederbeschlag aus einer Zinn-Blei.Kupfer-Legierung mit dem Rest eines Eisenniets   (unterwegs zum Amt) unten Mitte eine 6-Kreuzer-Silber-Münze von 1678 und in der Tüte Kleinmünzen aus dem Kaiserreich, 19.Jh. Rechts oben: Mittelneolithischer, konischer Klingenkern aus Wippingen, gefunden am 1. Weihnachtstag 2013.

Das Archäologische Jahr in Sonderbuch

Wieder einmal geht das Jahr zu Ende und 2013 brachte wenig "spektakuläre Lesefunde". Feldprospektion bedeutet mehr Suchen als Finden, zumal  das ehrenamtlich verstandene Suchen nicht mit Grabungsgenehmigungen verbunden ist. Was dafür vor allem notwendig ist, ist die Investition von sehr viel Zeit. Der Zufall spielt dabei eine sehr große Rolle. Vielleicht erblickt in vielen hundert Jahren ein Fundstück nur einmal nach dem Pflügen das Tageslicht. Diesen Zufall gilt es heraus zu fordern und jede Erdbewegung zur Nachsuche zu nutzen.

Der Pflug servierte zum Jahresausklang ein 6-Kreuzer-Stück, Silber, 2,7 Gramm. Prägejahr 1678 aus dem Herrschaftsbereich der Grafschaft Öttingen, aus der Zeit von Albert Ernst I von Öttingen ( 4.5.1642 bis + 29.1.1683)
Die Konjunktur des Silberbergbaus brachte eine Neuerung im Währungssystem, zunächst in Tirol, die noch von der in Sachsen und Böhmen überrundet wurde. Südwestdeutschland lag größtenteils im Sog des Tiroler Einflusses, der Österreich auf dem Gebiet des Währungswesens eine Vorherrschaft verschaffte. Die ober schwäbischen Städte profitierten davon, indem sie sich rasch in den Edelmetallhandel einschalteten. Immer stärker wurde der Druck auf die Ausgabe von mittleren Silbermünzen ( 1 Kreuzer = 4 Pfennige, 1 Sechser= 6 Kreuzer) Seit 1486 wurden Taler geprägt. Damit bestanden die Voraussetzungen für die Reichsmünzreform des 16. Jahrhunderts. Auf diese allgemeine Entwicklung reagierten die Reichsstädte und Territorien mit Gegenmaßnahmen und Anpassungen durch regionale Zusammenschlüsse und Verträge. Sie versuchten mit Währungsreformen Geldparitäten für größere Räume und auf längere Sicht fest zu legen. Das allerdings war von stetem Wandel bedroht.

Umschrift: PRINZEPS OTTIN ALBERT ERNEST/ DOMINUS PROVIDEBIT. 16(6)78. Gekröntes Wappen der Grafschaft Öttingen, später Fürstentum.
Das Wappen: Auf rot-goldenem Eisenhutfeh ein blauer Herzschild, alles belegt mit einem durchgehenden silbernen Schragen.
Gefunden also auf der Hochfläche. Die Burg Ruck war zu dieser Zeit noch bewohnt, wenn auch die Chronik aus dem Jahre 1668 davon berichtet, dass sie nur noch die Frau des Forstknechts beherbergte. Nach einem Brand wurde Burg Ruck 1670 wieder repariert. Zur Kaufkraft, so berichtet eine Tabelle für das Jahr 1678 kann man sagen, dass man dafür etwa 1,4 kg Rindfleisch erhalten konnte. Sonderbuch lag nach dem 30jährigen Krieg in Schutt und Asche, 6 Kreuzer waren wohl in der Zeit des Wiederaufbaus ein echter Verlust.

Grundlage für die Währungsreformen jener Zeit war zum Teil die Neuverteilung des Münzrechts. Die Reihenfolge, in der solche Rechte erlangt wurden ist höchst merkwürdig und hat nichts mit dem sonstigen Rang der Fürsten und Herren zu tun. (Öttingen kam erst 1674 in den Fürstenstand) Altes Münzrecht stand etwa den Markgrafen von Hachberg schon im 13. Jahrhundert zu, denen von Baden 1362, Württemberg 1374 und dann folgte Öttingen 1393. Es entstanden Verbände zu gemeinsamer Münzpolitik. Im Ganzen kam es dadurch zu einem inner schwäbischen Währungsgebiet, dem sich auch Baden anschloss. 1396 schlossen sich im Kirchheimer Vertrag die Grafschaften Öttingen, Hohenberg Württemberg, der Bischof von Augsburg ( auch Münzen aus Augsburg finden sich gelegentlich auf Sonderbucher Äckern) und die Städte Ulm, Esslingen und Gmünd gegen eine Verschlechterung des Hellers zusammen und prägten erste, gemeinsame Silbermünzen: Den Schilling. Öttingen wandte sich später mehr Bayern zu. Zur Zeit der Prägung des 6ers galt nach den Reichsmünzverordnungen von 1551 und 1559 : 1 Gulden= 60 Kreuzer= 240 Pfennige. Der Wert des Guldens war auf die Kölner Mark Silber (233,86 Gramm) bezogen. (Quelle: Meinrad Schaab, Michael Klein, Allgemeine Geschichte, Band II)
Die Öttinger zählen zu den ältesten, heute noch bestehenden Adelsgeschlechtern in Bayern. 1147 führen sie zum ersten Mal den Grafentitel. Sie betreiben eine gezielte Erwerbspolitik. Die Arrondierung ihres Territoriums ist gegen Ende des 14. Jh. weitgehend abgeschlossen. Sie gewannen das größte weltliche Territorium in Ostschwaben. Die Grafschaft lag um die Reichsstadt Nördlingen im heutigen Bayern bzw. Baden-Württemberg. Im 15. Jahrhundert kommt es zu einer 2-Teilung des Hauses Öttingen.Es entstand einmal die  Linie Öttingen-Öttingen (evangelisch), daneben gab es die Linie Öttingen Gesamt (Alt-Wallerstein)(katholisch) . Später teilte sie sich in drei Linien.. 

Samstag, 2. November 2013

489. Post. Nicht mehr 29,6, sondern 31,1 cm...

Die Rückkehr des Löwenmenschen...


persönliche Einladung zur Eröffnung der Ausstellung am Fr. 15. Nov. 2013, Ulmer Museum
Mit 31,1 cm ist es der Größte, den ( vielleicht auch das Größte was..) die paläolithische Kunst hervor gebracht hat. Vergessen Sie also das Ein- oder Andere, was Sie bisher über den Löwenmenschen gehört, gelesen oder gesehen haben. Wie er selbst durch die Restaurierung gewachsen ist, so sind auch die Erkenntnisse gewachsen und das Erscheinungsbild hat nicht nur in der Größe zu gelegt. Der Löwenmensch besitzt nun auch den bisher fehlenden, rechten Arm. Auf das bisherige "Wachslifting" wurde verzichtet und er wird sich nicht mehr so faltenfrei präsentieren, doch hat er das auch nicht mehr nötig, denn 6-800 Kleinstfragmente aus den Nachgrabungen von 2009 bis 2011, die alle von der ca. 35000 Jahre alten Elfenbein-Figur stammen, wurden angefügt.  Durch die Grabungen sei sichergestellt, dass alle Fragmente erfasst sind.
Zur Eröffnung der Ausstellung sprechen (Grußworte) Staatssekretär Ingo Rust, Prof Dr. Claus Wolf, OB Ivo Gönner, Museumsdirektorin Gabriele Holthuis, sowie zum Projekt selbst: Prof. Dr. Claus Joachim Kind (LAD), zur Ausstellung selbst spricht Kurt Wehrberger als Kurator der Archäologie im Ulmer Museum und der mit der Bezeichnung Löwenmensch die sich durch gesetzt hatte auch eine lange Diskussion über das Geschlecht der Figurine beendet hatte und in englischer Sprache : The Lion Man- a view from outside...Jill Cook vom British Museum London.
trailer:

Freitag, 1. November 2013

488. Post. Neue Scherben der Linienbandkeramik (LBK)

Der Pflug, der dieses Jahr teilweise deutlich tiefer und damit  in die Kolluvien eingriff, sorgte mit Unterstützung einiger heftiger Regengüsse für sehr frühzeitiges Erscheinen von Keramikscherben. (SOND008) Natürlich wieder um ein Beispiel dafür zu liefern, dass großen Gefäßscherben der letzte Garaus gemacht wird. Größere Scherben fallen durch ihre Form auf, da sie zunächst dieselbe Farbe wie die sie umgebende Erde aufweisen. Den Winter über erodiert die anhaftende Erde ( durch Frost leider oft auch die Oberflächen) um sie in einer Art "Scherbenkorridor" im Frühjahr zu erkennen zu geben. 
links Großes Fragment mit Ansatz einer Handhabe (Öse) von einem Koch- oder Vorratsgefäß. Darüber (mittig) Fragment einer Öse, unten und rechts Wandscherben von grober Gebrauchskeramik. Alle ohne Dekor.

Frische Bruchflächen zeigen, dass die Zerstörungen im Pflughorizont voran schreiten.

Frische Bruchflächen, behobener Schaden...

Anhaftungen im Inneren des großen Gefäßes.


Montag, 28. Oktober 2013

487. Post. Kratzer der Jungsteinzeit...

...gehören zu der am häufigsten gefundenen "Typen" (Besser Werkzeugklassen)  im Werkzeugspektrum der meisten Inventare.


Dabei handelt es sich nicht um einen echten Typus, dem man bestimmte Zweckbestimmung zuweisen kann, wie etwa den Bohrern oder den Pfeilspitzen. Er wurde für unterschiedliche Arbeiten ein gesetzt.  
Ein Kratzer aus hier seltener Verwendetem Rohmaterial: Bohnerzhornstein. Die überwiegende Masse aller Kratzer besteht aus den grauen und weißen, bzw. gebänderten Hornsteinen die auch lokal anstehen.
Kratzer wurden aus Klingen oder Abschlägen gefertigt. Bei der konvex verlaufenden Kratzerkappe geht man in der Regel von einem  Funktionsende aus. Bei Kappen mit Lackglanz ist zu vermuten, dass sie auch zu Schäftungszwecken an gelegt wurden. Die Kratzer ohne zusätzliche Retuschen überwiegen. In Inventaren der Linienbandkeramik kommen laterale Retuschen tendenziell seltener vor als in mittelneolithischen. Man geht davon aus, dass die Länge der Stücke mit dem intensiven Gebrauch und den ensprechenden Nachschärfungen zusammen hängt.
Gebrauchsspurenanalysen belegen unterschiedlichen Einsatz an Materialien unterschiedlicher Härte: Haut, Geweih, Kochen, Holz oder Stein. Nach experimentellen Versuchen von Lutz Fiedler könnte man sie je nach ihrer Verwendung als Kratzer, durchaus als "Schaber, Hobel oder Dechsel" bezeichnen. Bei den Versuchen wurden nicht nur die Kappen, sondern auch die Ecken zu  den Kanten beansprucht. 
Ein besonderer Kratzer mit Seltenheitswert: Rosa Hornstein, wie er auf Lagerstätten um Sonderbuch ansteht. 


Im nordwestlichen Verbreitungsgebiet der Linienbandkeramik und im Raum Stuttgart sind Kratzer fast immer die häufigsten Geräteformen ( Birgit Gehlen, in :Steinartefakte, Hrsg. Harald Floss) Mit einem Anteil von 50% liegen sie bei Oberflächenfunden doppelt  höher als aus ausgegrabenen Inventaren. Sie scheinen also mehr von den alten Oberflächen zu kommen und weniger in die Gruben gelangt zu sein. Dabei ist fest zu halten, dass vermutlich viel zu wenige Ab-SAMMLUNGEN in wissenschaftliche Auswertungen einfließen. Die durch Grabungen erstellten Statistiken beziehen sich auf die stratifizierten Funde selbst und sind in sich geschlossen. Bei den Kratzern haben wir damit eine Situation ähnlich der Pfeilspitzen. Auch dort scheint es so zu sein, dass das Fundaufkommen auf den Oberflächen höher ist als in den Straten.  
Was für die Fundfrequenz gilt, gilt sicher auch für das Rohmaterialspektrum gerade auf linienbandkeramischen Siedlungen. Es gibt eine gewisse Affinität, eine Präferenz für bestimmte Rohmaterialien, die an Häuser, damit an Familien oder Clans gebunden scheint. Sondagen, die einen Ausschnitt einer Siedlung widerspiegeln haben hier vermutlich keinen repräsentativen Charakter des gesamten Rohmaterialspektrums der gesamten Siedlung. Absammlungen auf der Gesamtfläche sind hier deutlich im Vorteil, weil objektiver. Nachteil: wenn an der Oberfläche verschiedene Zeithorizonte belegt sind, lassen sich diese chronologisch nicht fassen.

486. Großklingen

Unweit einer eindeutig jungneolithischen Fundstelle konzentrieren sich auf kleiner Fläche auffallend große Klingen...

und haben damit vielleicht Bezug zu ebenfalls diesem  Zeithorizont. Sie wurden schon einmal hier vor gestellt. Zu den bisherigen Klingen ( und einem entsprechenden Kern) 

kam neu: unten ein weiterer Abschlag, derselben, aus einer Serie von Klingen ungewöhnlicher Größe.
Auf dem gesamten Flurstück von vielleicht 10ha sind keine Klingen dieser Größe bislang gefunden worden. Eine Zuweisung in eine jungneolithische Zeit ist sehr wahrscheinlich.
Das was wir die Zeit des Jungenolithikums nennen, war eine Zeit der Innovationen. An die Stelle der Rössener und der in Sonderbuch nach gewiesenen Stichbandkeramischen Kultur treten Mitte des 5. Jahrhunderts zahlreiche, sehr kleinräumige Gruppen. Die Art der Steinbearbeitung die hier vorliegt scheint in diese Zeit zu verweisen. Eine archäologische Untersuchung in diesem Areal erbrachte keine Siedlungsreste, was nicht verwundert, sondern die Vermutung es mit einer jungneolithischen Erscheinung zu tun zu haben weiter bestärkt. Neben der Trichterbecherkultur erscheint die Michelsberger Kultur, benannt nach einer Siedlung auf dem Michaelsberg bei Bruchsal. Sie erstreckt sich als Stilprovinz vom Niederrhein bis zur Schwäbischen Alb und konnte durch die Keramik auch nach gewiesen werden.( Der Fund auf den Pingen des Borgerhau macht wahrscheinlich, dass die Vertreter dieser Kultur sich auch dort mit Rohmaterial eindeckten.) 
Während dieser Zeit entstanden große Erdwerke aus Wällen und Gräben und trotz dieser imposanten Befunde kennt man im gesamten Jungneolithikum aus den meisten Gebieten keine Häuser. Erwartungsgemäß, trotz eindeutiger Hinweise der lithischen Industrie - ganz typische jungneolithische Pfeilbewehrungen z.B. -und mittlerweile auch Keramik (Asch-Brennerhäule, dem LAD und der survey die hier gegraben hat noch nicht vor gelegt. Die Keramik der Michelsberger Kultur ist unverziert und bricht mit einer langen Tradition der verzierten Keramik) 
Auch die Prospektionen der survey (Fisher, Knipper et al.) konnte keine Hausgrundrisse nachweisen. (mündliche Mitteilung)  Sicher lebten die Menschen auch jetzt in festen Häusern, aber die Pfostenbauweise der voran gegangenen Kulturen muss sich geändert haben, so dass sie archäologisch nicht mehr erfasst werden kann. 
Erst die Untersuchungen am Federseemoor z.B. brachten des Rätsels Lösung. Hier konnten die Fundamente von Häusern frei gelegt werden, die auf Schwellbalken basierende Blockhaustechnik belegen. Noch um die Jahrhundertwende des angehenden 20. Jh. gibt es diese Bauweise auf dem Lande noch in ähnlicher Form. Die Häuser besaßen weder Fundamente, noch griffen sie in den Untergrund ein und sind daher heute nicht mehr durch Verfärbungen nachweisbar, selbst wenn sich Hölzer erhalten haben. Der Feuerstein wird jetzt über große Strecken transportiert (Rad und Wagen, sowie Zugtiere sind jetzt nach gewiesen, für Schlitten, Hakenpflüge und Transport von Waren über große Strecken ) und wird bergmännisch ab gebaut. Vor allem ist es das Rad, das neben dem großräumigen Warenaustausch einen intensiven Kontakt zwischen den regionalen Kulturen fördert (Silex aus Frankreich konnte hier als Lesefund der Oberfläche nach gewiesen werden.) und der sich in zahlreichen Gemeinsamkeiten der regionalen Kulturen äußert. Wenn in dieser Zeit der Hornstein im Borgerhau also noch ausgebeutet wurde, ist eine großräumige Verbreitung sehr wahrscheinlich. 

485, Dechsel der Bandkeramik

Wieder einmal servierte der Pflug eine kleine Dechselklinge auf einer Linienbandkeramischen Siedlung. Gemarkung Sonderbuch.

Breitflache, kleine Dechselklinge aus Akinolith-Hornblendschiefer.  Die dritte dieser Art auf einer Siedlung.

Grundsätzliches zu Dechseln, Beilen & Co.  lesen Sie hier:
http://www.steinzeitwissen.de/beile-axte-und-andere-holzbearbeitungswerkzeuge/dechselklingen-aus-dem-alteren-neolithikum

Aus einer Zeit, als man über die Verwendung spekulierte und sie als Bodenbarbeitungsgeräte einschätzte stammt der veraltete und wenig sinnvolle Begriff "Flachhacke", der aber immer noch  Verwendung findet.
Dem Material wurde in dieser Zeit eindeutig der Vorzug gegeben, obwohl die Vorkommen oft sehr weit entfernt liegen.


Eindrücke bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen

Beile, Äxte, Dechsel, Kratzer, Schaber...Besonders im Neolithikum scheint Holz der wichtigste Werkstoff gewesen zu sein, der mit vielen dieser Werkzeuge bearbeitet wurde. Manch einem drängt sich hier der Name "Holzzeit" auf. Aufgrund ihrer scheinbar unbegrenzten Haltbarkeit ist es vor allem der Stein, über den wir versuchen die Menschheitsgeschichte zu verstehen. Im Kontext intakter Stratigraphien, ungestörter Befunde, aber auch oft schon mit exakt erfasster Lage in den Oberflächen, erweitert sich das Bild. Die Methoden, die uns zum "Lesen dieses Bodenarchives" befähigen, haben sich immer mehr erweitert und verfeinert. Für viele Bodendenkmale ist es deshalb ein Glücksfall, wenn sie erst heute erkannt werden und auf diese Methoden treffen und nicht schon in einer Zeit, als man die Archäologie noch als "Wissenschaft des Spatens" bezeichnete.
Doch nicht nur die Methoden der Analyse haben sich erweitert und verfeinert. Auch die Methoden des Auf spürens von Relikten aus alten Zeiten haben ungeahnte Möglichkeiten gezeitigt. Metallsonden z.B. ermöglichen, dass für kleines Geld das Aufspüren für Jedermann möglich und schon lange zum Massensport geworden ist. Schutzgesetze, zumal sie in vielen Fällen "nur" Ordnungswidrigkeiten definieren und Verstöße kaum geahndet werden, können diese Entwicklung nicht aufhalten. Eine Randerscheinung der allgemeinen Entwicklung unserer Gesellschaft der Individualisierung, in der sich viele immer mehr nur sich und ihrem eigenen Gewissen und der Durchsetzung ihrer persönlichen Vorteile verpflichtet sehen.  Die kollektive Verantwortung um das Erbe der Menschheit scheint sich immer schwerer vermitteln zu lassen. Es ist schockierend, was der "arabische Frühling" in Ägypten für das archäologische Erbe derzeit verursacht. Ungeheuerlich werden eines Tages sicher auch die Verluste als Kriegsfolgen in Syrien sein. Aber in Mitteleuropa herrschen weder Krieg noch Unruhen und doch schafft es unsere zivilisierte Gesellschaft nicht in verantwortlichem, ausreichenden Maße Verantwortung zu übernehmen. 

Dienstag, 22. Oktober 2013

484. Post. Auf den Spuren des Neandertalers?

In unmittelbarer Nähe des Fundpunktes eines Mittelpaläolithischen Schabers, fanden sich heute zwei Artefakte, die in diesem Zusammenhang eine Erwähnung verdienen.
Ein Artfakt, mit 66mm Länge und 55mm max. Breite ist wohl ein Abschlaggerät, morphologisch aus der "Abteilung Grobe Bifaces."
ventral

dorsal

Distalende



Was nun sehr schwer in das Bild des Mittelpaläolithikums passt, ist diese Zerrüttungszone, was die Ansprache nach einem Ausgesplitterten Stück wahrscheinlicher macht. Die Zerrüttungszone erklärt für mich jedoch nicht die lateralen Retuschen. Im Inventar (Inv.Nr.96) der Großen Grotte befindet sich ein kleiner Faustkeil, von dem Wagner berichtet, er zeige eine "zerstoßene Basis." Wäre ich nun nicht Laie und Sammler, hätte Zugriff auf die Funde der großen Grotte, würde ich die Stücke vergleichen.

Die Dorsalseite ist von größeren Negativen geprägt. Die Lateralkanten tragen wenige Retuschen. Das Stück trägt keinerlei Kortex.

Anders auf der Ventralseite. Hier ist das Artefakt unilateral, im Gegensatz zur Dorsalseite aufwändig, auch formgebend retuschiert.


Mit einer ebenfalls unweit davon gefunden Spitze kann man diesen kurzen "Suchertag" von nur einer Stunde Begehung wohl als erfolgreich bezeichnen. 

Länge der "Spitze" 47mm - ebenfalls undatiert, möglicherweise ein neolithischer Bohrer? Für meinen Geschmack müsste allerdings, zumindest regelhaft, der Schlagpunkt am Proximalende auch "mittig" und nicht seitlich liegen. 




Selbst die schönste Frau ist an den Füßen zu Ende...die urgeschichtliche Forschung auf der Blaubeurer Alb noch lange nicht...In Teilbereichen der Schneide sind  Retuschen erkennbar. 

Grobe Bifaces oder Unifaces können auch Bestandteil von neolithischen Inventaren sein...


Warum so viel Aufhebens um einzelne Artefakte?
Kennzeichnend für die Entwicklung des Mousterien de Tradition Acheuleen in Westeuropa ist vor allem die Levallois- Methode bei der Werkzeugherstellung. Es geht noch mit hinein in die Industrien des finalen Mittelpaläolithikums. Die letzten eindeutigen Industrien sind hier die sogenannten Keilmesser- und Blattspitzengruppen, ihre Entsprechung im östlichen Europa ist das Miqoquien.

Die Datenlage auf der Schwäbischen Alb was Inventare dieser Zeit angeht, ist schlicht dürftig und lässt sich nicht leicht fassen, die Funde an eindeutigen Geräten ist karg, vor allem verglichen mit den Funden des Aurignacien ( auf das Mittelpal. folgt in den Straten stets ein Hiatus- eine fundleere Schicht, die die Hinterlassenschaften des Neandertalers vom modernen Menschen zeitlich trennt.), obwohl die meisten Höhlenfundplätze diese Zeithorizonte aufweisen. Man führt die Fundarmut in erster Linie auf die geringe Besiedlungsdichte zurück. 
Die Inventare der Höhlen zeigen sich heterogen, lassen sich den Blattspitzengruppen nicht zuordnen und werden daher allgemein formenkundlich als levalloid bezeichnet. Die Inventare gelten morphologisch als eher einfach. Die Stratigraphien der Höhlen gehen in keinem Fall über 45 000 vor heute hinaus.

Das bekannteste altpaläolithische Artefakt ist der Faustkeil, das Mittelpaläolithikum war aber viel mehr, die große Masse der Werkzeuge weit weniger spektakulär, eher unscheinbar. Solche "einfachen Stücke" aus der Masse später datierender Artefakte heraus zu filtern und zu erkennen ist genau so schwierig wie spannend...


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Sonntag, 20. Oktober 2013

483.Post. Klingenkern mit facettierter Schlagfläche im Kontext einer Lagerstätte

Schlagflächen zeichnen sich, sofern nicht noch die Kortex verblieb, im allgemeinen durch bestimmte Präparationsformen aus. Auf den Siedlungen und Schlagplätzen der Blaubeurer Alb überwiegen zahlenmäßig die Schlagflächen, die durch ein großes Negativ gebildet werden. Die Negative wurden dabei in der Regel durch einen großen Abschlag gebildet, der das Kappen des Rohstückes belegt. Es können aber auch mehrere Negative von Abschlägen diese Schlagfläche bilden. Dabei entstehen im fortschreitenden Abbau die typischen Kernscheiben oder partielle Kernscheiben. Sie werden unterhalb der stecken gebliebenen Reduktionen an gelegt. 
Vor allem im älteren Neolithikum in der die Punchtechnik an gewandt wurde, können die Schlagflächen eine bis zu minutiöse Facettierung aufweisen.

siehe auch:

Umso auffälliger sind deshalb Kerne, die aus der Masse der Klingenkerne, deren Schlagfläche von einem einzigen Negativ gebildet werden herausfallen,

wie dieser Kern aus dem Kontext einer Lagerstätte auf freiem Felde zwischen Asch und Sonderbuch


Schlagfläche eines Klingenkernes aus der Peripherie einer Lagerstätte im freien Feld bei Asch.



Eine der Abbauflächen mit rezenter Beschädigung ( die beige  Partie) 

Abbaufläche II

Neolithische Klingenkerne treten auf den Fundflächen um Sonderbuch in der Regel in verworfenem Zustand auf, oft wurden sie wie das vorgestellte Beispiel sekundär genutzt. Ihre Formen sind höchst unterschiedlich, ebenso wie die Größe. Jeder Kern ist trotz systematischem Abbau ein Unikat. Die Ausformungen ergeben sich nach 'Anzahl und Ausprägung der Schlagflächen und ihre Position zueinander. Für die Klingenproduktion ist mindestens eine Schlag- oder Druckfläche notwendig, von der aus die Abbaufläche in Angriff genommen wird. Zum einen kann die Abbaufläche nur einen Teil des Kernes ausmachen, kann sich aber auch umlaufend über den gesamten Kern erstrecken. Da die Ressourcen über längere Zeiträume großzügig zur Verfügung standen, überkommen auch reativ große "Reste", sprich "aufgegebene Kerne" die verworfen wurden. Auf LBK-Zusammenhängen drängt sich der Eindruck auf, dass die Nutzer sich an das qualitativ bessere Material hielten. ob das mit den erschlossenen Ressourcen oder Selektivem Aufnehmen zusammen hängt, bleibt vorerst offen. 

Untersuchungen in diese Richtung laufen bereits seit Jahren:
http://archaeologik.blogspot.de/2013/10/abbaustellen-und-siedlungen.html#comment-form

Samstag, 19. Oktober 2013

482. Post. Unilateral, kantenretuschierte Klinge...

Aus früh neolithischem Oberflächen-Kontext ( möglicherweise aber jungneolithisch) stammt eine unilateral retuschierte, spitzovale Klinge, deren Kantenretuschen deutlich formgebend an gelegt sind.

Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Modifikationen weitgehend nach dorsal, im Proximalbereich jedoch partiell auch nach ventral angelegt sind. Auch wurde damit teilweise der Bulbus weg genommen, was an eine Schäftung an dieser Stelle denken lässt.  Das Distalende weist - lediglich ventral- eine kleine Glanzpartie auf, was ein Beleg für einen möglichen Einsatz des Werkzeuges ist.
Aus dem Typenkanon des Neolithikums fällt das Artefakt heraus, eine wenn auch sehr untypisch große Pfeilbewehrung wäre vielleicht denkbar. In der Erscheinungsform erinnert die Klinge, wenn auch deutlich kleiner, an die jungneolithischen Spandolche. Mit nur 50mm Länge ist das Stück wesentlich kleiner. 
Ventralseite, unten die formgebenden Retuschen nach ventral am Proximalende

Auf der Dorsalfläche blieben Kortexreste übrig

linkslateral

rechtslateral

Das Distalende unten 

Vermutlich ist das Aretfakt als "Sicheleinsatz" im weitesten Sinne an zu sprechen. Damit fällt es aus dem früh neolithischen Fundkontext vermutlich heraus.