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Mittwoch, 5. Juni 2013

458. Post. Grenzen bei der Datierung von Oberflächenfunden.

Bei der Datierung von Oberflächenfunden sind oft schnell Grenzen erreicht. Nicht alle Funde sind frei von Zweifeln über den zeitgeschichtlichen Kontext.

Viele Funde von den Oberflächen zeigen, dass an ein und derselben Stelle offensichtlich mehrere Siedlungsphasen, zeitlich unterschiedliche Zuordnungen vorliegen müssen. Insbesondere die Keramik ist dabei ein untrüglicher Anhaltspunkt, nach der man in Kulturen und Kulturgruppen unterscheidet.
Schwieriger wird es schon, wenn keinerlei Keramik auf den Oberflächen auftaucht, oder aber Keramik aus verschiedenen Epochen die Einordnung des lithischen Inventares mit Zweifeln belegt. 
Die meisten Fundstellen zeigen sich mehrphasig und Kultur übergreifend, oft über sehr lange Zeiträume. Ein und derselbe Siedlungsplatz wurde über mehrere Tausend Jahre immer wieder aufgesucht. Verschiedene Gunstfaktoren spielen dabei eine Rolle. Auf der Blaubeurer Alb waren es nicht zuletzt die Hornsteinvorkommen aus sekundären Lagerstätten, die den Menschen anzogen. Die Bauernkulturen schätzten wiederum auch den fruchtbaren Boden. Wasservorkommen scheint dagegen eine eher untergeordnete Rolle gespielt zu haben.  Auch dort wo z.B. die Linienbandkeramischen Artefakte überwiegen, zeigen sich Komponenten aus späteren oder früheren Zeiten. Die meisten Abfallprodukte und die Mikrodebitage entzieht sich damit schnell einer näheren Zuordnung und nur noch die modifizierten Artefakte bleiben weitgehend zweifelsfrei. Doch schnell haben auch diese relativen Sicherheiten ihre Grenzen. Kein Artefakt gleicht dem anderen, jedes ist ein Unikat. Während in der Linienbandkeramik noch sehr grobe Raster an gelegt werden können, sind die Nachfolgekulturen des Mittelneolithikums - wie etwa auf der Blaubeurer Alb die Stichbandkeramik- schon stark regional und lokal differenziert. Vergleiche mit anderen Regionen sind schwierig und die Unterteilung in Gruppen erscheint sinnvoll.

Auf einer auf diesem Hintergrund als "gemischt-neolithisch" zu bezeichnenden Fundfläche finden sich so wie mehrfach vorgestellt immer wieder Mittelneolithische als auch jungneolithische Komponenten. Wenig Keramik dagegen verweist in die Zeit der ersten Bauern, die die reinen Jäger- und Sammlerkulturen ablösten. Ein Mittelpaläolithischer Schaber zeugt auch von einem zumindest kurzfristigen Aufenthalt des Neanderthalers. Kleinstückige, retuschierte Artefakte aus getempertem Material legen aber auch eine Komponente aus dem Mesolithikum nahe, womit Belege über mehrere Jahrtausende vorliegen. So liefern Oberflächenfunde zwar authentische Belege, aber letztlich keine Beweise im wissenschaftlichen Sinne, den nur archäologische Untersuchungen (Grabungen) im Kontext führen können. Das macht das Erkennen von alten Siedlungsstellen zwar spannend, aber oft genau so unbefriedigend. 
Das...war vermutlich mal etwas größer. Feine, unregelmäßige Retusche an getempertem , grauem Jurahornstein. Nur die Retusche glänzt, während die übrigen Flächen matt sind. Ein Beleg dafür, dass die Retuschen erst nach einer Hitzebehandlung des Rohmaterials an gebracht worden sein können. Diese Erhitzung- Tempern genannt- ist eine Erscheinung, die vor allem im süddeutschen Frühmesolithikum- dem Beuronien- gebräuchlich war, netterweise aber auch im Neolithikum vorkommt.

Ungewöhnlicher "Kratzer". Während die Kratzer des frühen Neolithikums eine sehr  regelmäßig retuschierte Kratzerstirn/ Kratzerkappe aufweisen (Das Jungenolithikum bringt es dabei zur Perfektion) , zeigt sich dieser eigenwillig unregelmäßig und von Gebrauch gezeichnet. Die Retuschen (verlaufen teilweise im 90 Gradwinkel, zur Kratzerkante und) sind stufig gearbeitet. Eine Erscheinung, die vor allem bei mittelpaläolithischen Werkzeugen, den Schabern des Neanderthalers vorkommen.



Durch direkten harten Schlag getrennt und im Erscheinungsbild unorthodox. Einfaches ad hoc - Werkzeug, oder etwas "Älteres"?

Aber auch die Datierung von Artefakten, die aus geschlossenen, intakten Befunden zur Identifizierung anstehen, machen es dem professionellen Archäologen nicht immer leicht.
Harald Floss schreibt in STEINARTEFAKTE in seinem Aufsatz über den HABITUS von Artefakten: "So ausgeklügelt Analysen zu Steinartefakten heute auch sein mögen und so sehr man sie in verschiedene Aspekte, z.B. die Technologie oder die Formenkunde aufspalten kann, so sehr werden wir nach wie vor Menschen benötigen, die das Typische, gewissermaßen das Wesen eines Artefaktes zu erkennen in der Lage sind. Bei aller Detailgenauigkeit darf in der Ansprache eines Artefaktes seine unverwechselbare Ausprägung nicht vernachlässigt werden. Nach wie vor wollen wir doch schlicht wissen, was wir da in unseren Händen halten, wie das betreffende Stück hergestellt wurde, wie wir es zu datieren haben und in welchen kulturellen Kontext es gehört...In meinen Augen trifft der Begriff des HABITUS die Charakterisierung das Typischen eines Objektes am besten, ...der HABITUS ist in gewisser Weise das, was ein Stück ausmacht...So sehr man Spurenelemente des Rohmaterials identifizieren, sich mit Inbrunst in technologische Details vertiefen und die Dokumentation von Artefakten einem 3D-scanner überlassen kann, so sehr sind letztlich Sachkenntis und Talent, aber auch ein gutes Maß an Intuition nötig, um ein Artefakt und in der Summe ein Gesamtinventar mit traditionellen Methoden zutreffend zu bestimmen..."
aus: Der Habitus- eine Vermittlung zwischen Technologie und Typologie" von Harald Floss, in Steinartefakte, Kerns Verlag Tübingen, 2012.

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