Powered By Blogger

Montag, 15. Dezember 2014

531.Post. Differenzierung von Fundstellen


Ideale Verhältnisse begünstigen die Bergungen nur selten. Meist Sind  Begehungen der Felder eine sehr schmutzige Angelegenheit. 

Der Idealfall: Das Feld ist bestellt, die Oberflächen haben eine fein krümelige Struktur, sind ausreichend ab geregnet und das Feld ist noch nicht ein gesät. Der Himmel ist bedeckt, so dass keine Schlagschatten entstehen, die Oberflächen trocken. 

Der Normalfall: Es ist frisch gepflügt, Pionierpflanzen oder Strohhäcksel erschweren auf der Brache die Sicht, der Boden ist sumpfig nass oder trocken staubig. Es regnet, oder tiefstehende Sonne wirft Schlagschatten und blendet die Sicht. Nach der Aussaat verbieten sich Begehungen von selbst und so sind Die Zeitfenster für Idealbedingungen meist kurz oder bleiben das Jahr über aus. Die hier oft vorgestellten Fotos in Fundlage, bei denen Artefakte schon in der Fläche sicher angesprochen werden können, sind eher die Ausnahme und gelten normalerweise am ehesten noch für großformatige Stücke. Modifikationen sind oft erst auf den zweiten Blick erkennbar. So verschwindet Alles erst einmal in sorgfältig beschrifteten Tüten, die auf die Begehung freien Zeiten warten müssen. Beschriftungen, Laufzettel und Geodaten (Koordinaten nach Gauss-Krüger) sichern langfristig die sichere Zuweisung zum richtigen Fundort. 

Spätestens mit der ersten, permanenten Schneedecke oder dem vollständigen Bewuchs im Frühsommer, endet der Einsatz im Gelände und die Reinigung der Funde setzt ein und damit meist weitergehende Erkenntnisse, die im bisherig schmutzigen Zustand der Hornsteinartefakte noch nicht möglich waren. Auch die aufgehende Wintersaat beendet die Saison. Dies ist im Moment der Fall. Vieles wird erst nach der Reinigung erkannt, besonders wenn die Fundstücke noch teilweise von Erde bedeckt sind. 

Oft vergehen Jahre, bis eine Fundstelle erkannt ist, deshalb werden die  günstigen Oberflächenverhältnisse im Umfeld der Ascher Pingen auf jedem Feld genutzt.  Ungünstige Verhältnisse können sehr anhaltend dafür sorgen, dass eigentlich dichte Fundstreuungen gegen das Erkennen sehr resistent bleiben können. Die drei im letzten Frühsommer erkannten Fundstellen lagen in Maisfeldern, wobei Oberflächen hier langfristig von den Niederschlägen profitierten und gut abgeregnet erschienen. Chemische Behandlung sorgte darüber hinaus dafür, dass sich keine unerwünschten Pionierpflanzen einstellten und somit quasi lange freie Sicht herrschte. Die Fundfrequenz auf diesen neuen Fundstellen zeigte Sich erstaunlich hoch (obwohl sie schon mehrfach vergeblich vorher begangen wurden) und diesen Herbst / Winter ist wieder der Umstand eingetreten, dass die Oberflächen "fundfrei" erscheinen. Feldbegehungen, können deshalb nur zielführend sein, wenn die Felder trotz negativem Befund immer wieder neu begangen werden. An anderer Stelle wurde hier schon mehrfach aus geführt, dass der Ackerboden teilweise große Anteile von Verwitterungs- und Lößlehm aufweist und nur eine starke Durchfeuchtung mit anschließenden Niederschlägen Artefakte frei wäscht. Im trockenen Sommern verbacken die groben Erdklumpen zu einer Art Lehmziegel, die von durchschnittlichen Niederschlägen nur schwer wieder aufgelöst werden und der Boden so die Geheimnisse bewahrt. 

Über Längere Zeiträume abgesammelte Flächen lassen irgendwann zu, Aussagen über die Art der Fundstelle zu treffen. Dazu können die Anzahl bestimmter Artefakttypen, oder morphologische Einzelheiten wie die Schlagtechnik oder die Wahl des Rohmaterials...usw. Hinweise geben. Bestimmte Aktivitäs- oder Siedlungszonen zeigen auch entsprechendes Inventar. Im günstigsten Falle lassen sich anhand von Typen oder eindeutiger Keramik Datierungsversuche vornehmen. Da oft Gunsträume über einen langen Zeitraum bevorzugt aufgesucht oder besiedelt waren, sorgt dieser Umstand aber andererseits wieder für Einschränkungen, weil verschiedene Zeithorizonte auf den Oberflächen vermischt erscheinen können. Mit grundsätzlichen Überlegungen, anhand der Morphologie und vergleichenden Betrachtungen nähert man sich so sukzessive über die Jahre hin zu manchmal erstaunlich sicheren Erkenntnissen, ohne je einen Spaten ein gesetzt zu haben. Geduld bringt Rosen.  


Oben: Fundstücke eines zentralen Schlagplatzes, dessen genaue Bedeutung sich erst langsam erschließt. Er steht wohl im Kontext eines über einen längeren Zeitraum belegten Siedlungsplatzes, dessen dicht streuendes, lithisches und keramisches Inventar nur vielleicht 50 Meter weiter reichlich auf der Oberfläche streut und sich deshalb als ausgewiesene Siedlung von diesem Platz unterscheidet. Die Grobzerlegung mittels harten, direkten Schlages lässt im ersten Moment den Platz als Lagerstätte erscheinen, da die Anzahl der Kerne, der angetesteten und großformatig verworfenen Stücke überwiegt. Außerdem erscheint völlig unangetastetes Material. Modifizierte Grundformen fehlen ebenso wie Werkzeuge, die Gebrauchsspuren aufweisen. Eine Lagerstätte und die damit verbundenen Entnahmegruben wie sie im nahen Borgerhau nachgewiesen wurden, konnten durch eine archäologische Sondage hier nicht erfasst werden. Wenn das Kolluvium, in das die Artefakte vielleicht eingebettet waren nicht an einer Verlagerung die Schuld trägt, handelt es sich hier vielleicht um eine Art Zwischenlager/Schlagplatz, auf das der (im Borgerhau?) abgebaute Rohstoff gelangte und von da aus die geeigneten Grundformen und das geeignete Material weiter in die nahe gelegene Siedlung? Die so nur hypothetischen Zusammenhänge könnten durch entsprechende Analysen vielleicht erschlossen und überprüft werden. Stimmte das, müsste es langfristig theoretisch möglich sein, Anpassungen von Artefakten des vermeintlichen Schlagplatzes und der damit verbundenen Siedlung vor zu nehmen. Sisyphos, ein griechischer Steineschlepper, lässt derweilen grüßen.


Mittwoch, 10. Dezember 2014

530.Post. Hitzeauswirkungen am Hornstein

Spricht man von Hornsteinvarietäten, ist damit synonym oft auch eine farblich unterschiedliche Erscheinung gemeint. Den farblichen Unterschieden von Hornstein können jedoch die unterschiedlichsten Ursachen zugrunde liegen. Für sichere Ansprachen sind deshalb weitergehende Analysen notwendig.

Die erste "Farbgebung" erfolgte schon während der Sedimentation, der Ablagerung von Sedimenten auf dem Meeresgrund.  Die "Pigmentierung" ist also ein Ergebnis des Entstehungsprozesses.
Hornsteinvarietäten von einer Siedlung bei Wippingen.

Großes Farbspektrum, doch  ist die "Farbe" auch  ein Indikator für die Provenienz?
Allein die sekundäre Lagerstätte des Borgerhau zeigt ein großes Variantenreichtum.
Bis vor Kurzem galt die sichere Zuweisung zu einer bestimmten Lagerstätte
bei Hornstein noch als völlig unmöglich. Neue Methoden entschlüssen derzeit den "Geheimcode"
Die meisten Hornsteine der Siedlungen der Blaubeurer Alb kommen jedoch aus sekundären Lagerstätten. Sie sind aus dem Muttergestein gelöst und wurden durch geologische Prozesse im Verlaufe der Jahrtausende verlagert. Herausgelöster (und verlagerter) Hornstein war für die Menschen der Steinzeit leichter zu erschließen, als der aus primären Lagern. Teilweise dürfte er an die Oberflächen gelangt und dürfte somit oft auch leichter gefunden worden sein. Mächtige Lagerstätten wie die im Borgerhau erfuhren schon früh eine systematische Ausbeutung. 
Auch während der sekundären Lagerung sorgten chemische Prozesse für farbliche Veränderungen, wobei Metalle wie Eisen oder Mangan z.B. eine Rolle spielen, aber auch natürliche Säuren. Mittig-oben, ein eher selten anzutreffendes Grün. Darüberhinaus sind auch die zerlegten Hornsteine bis heute anhaltenden Verwitterungsprozessen aus gesetzt.
...ein "Traum in rosarot" - Jurahornstein von einer Siedlung bei Wippingen. Die wohl durch Eisenoxide gefärbten Zonen liegen im Zentrum der Knollen. 

Zwei mögliche (primäre)  Lagertstätten wurden bislang sicher ausgemacht. (Provenienz)  Die Flur "Halde" in Sonderbuch und "Geflinse" in Asch (Bollow 2013) An solchen Primärlagerstätten witterte der Hornstein auch aus, erfuhr aber nicht unbedingt eine größere Verlagerung, etwa im Geschiebe eines Gletschers oder durch einen Flusslauf. So ist das zwar eine Residuallagerstätte, da der Hornstein aus den Kalken gelöst ist, jedoch gewissermaßen eine primäre, da er weitestgehend
an Ort und Stelle verblieb. 


Rotfärbung und/ oder Glanz an intentionell zerlegtem Hornstein einer Siedlung bei Wippingen. Die dunkelbraun gefärbten Grate des Artefaktes im Vordergrund und oben sind "Rostspuren", die zusätzlich durch den Kontakt mit landwirtschaftlichen Eisengeräten entstanden sind. 
Besonders die Rotfärbungen des Hornsteins können auch durch Hitzeeinwirkung entstehen, unterscheiden sich aber von natürlichen Prozessen während der Sedimentation. Je nach Höhe der Temperatur und Dauer der Hitzeeinwirkung ändert sich die Farbe und wird im allgemeinen dunkler. Das Farbspektrum kann dabei höchst unterschiedlich ausfallen, was einmal von der Gesteinsart abhängt, aber vor allem von den Verunreinigungen durch Metallmineralien. Auch hier wechselt das ursprünglich helle Gestein nach rosa bis rot und violett und kann je nach Intensität und Dauer der Hitze auch nur die äußeren Schichten des Materials betreffen. 
Diese Veränderungen können auch artifiziell, gezielt absichtlich erfolgen (Tempern). Entgegen der leicht zu bearbeitenden Rohmaterialien wie etwa Kreidefeuerstein, gilt der Jurahornstein als teilweise besonders zäh. Es fehlt ihm die glasartige Sprödigkeit im Vergleich zu leicht zu bearbeitenden Materialien wie etwa Obsidian, baltischem Flint, Vertretern aus der Kreide oder etwa dem Plattenhornstein. Während glasige Silexarten durch Hitzebehandlung rissig und unbrauchbar werden, lässt sich der Hornstein durch gezielte Hitzebehandlung leichter spalten. Diese Erkenntnis führte im Verlaufe der Geschichte dazu, die Hitzebehandlung gezielt durch zu führen, ist jedoch nicht leicht von unabsichtlichen Hitzeeinwirkungen zu trennen. 
Keine expliziten Farbveränderungen, aber seidiger (Fett-) Glanz auf den Spaltflächen von einem intentionell zerlegten Hornstein einer Siedlung bei Wippingen. 
Abtrennung nach der Hitzeeinwirkung, wohl durch eine Landmaschine: auf der Spaltfläche erscheint Glanz (franz. lustre) 
Glanz ist eines der zusätzlichen, schon optisch erkennbaren Merkmale von Hitzeeinwirkung. ( siehe Jürgen Weiner in: Steinartefakte, Kerns Verlage, Hrsg. Harald Floss, 2013) als Ergebnis der Veränderung der Mikrostruktur, der grundsätzlich auf danach entstandenen Negativen auftritt, unabhängig davon, ob sie artifiziell oder natürlich bzw. durch rezente Eingriffe entstanden. Die Bruchfestigkeit des Materials scheint sich durch das gezielte Tempern zu erhöhen. Über die Hypothesen zur Veränderung der Reaktion des Gesteins auf Hitze wird in der Fachwelt noch anhaltend diskutiert, ebenso darüber, ob die Hitzebehandlung auch teilweise der gezielten Farbveränderung diente, da sie wohl auch an Gesteinen vorkommt, bei denen aufgrund ihrer guten Schlageigenschaften eine solche nicht notwendig gewesen wäre.
Das gezielte Tempern von Rohmaterial ist an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten nach gewiesen worden. Die frühesten Hinweise scheinen aus dem Solutreen zu kommen. Weite Verbreitung erfuhr das Tempern bei uns im südwestdeutschen Mesolithikum und es ist eine übereinstimmende Auffassung zu erkennen, dass sich dies weitgehend auf den frühesten Abschnitt des Mesolithikums beschränkt. Nach Hahn und Kind (1991) ist es schlicht das Merkmal des württembergischen Frühmesolithikums (Beuronien, z.B. Jägerhaushöhle, wo das Inventar im Beuronien A zu  etwa 80%  getempert erscheint, im jüngeren Beuronien B aber nur noch 20%)

Auf der Blaubeurer Alb wurden immer wieder getemperte Kerne gefunden, doch wohl jeweils in neolithischem Siedlungskontext. Ein Grund dafür dürfte sein, dass aufgrund der hohen Fundkonzentrationen bevorzugt und fast ausschließlich auf diesen Flächen prospektiert wurde. Mittelsteinzeitliche Spuren der letzten Jäger und Sammler mit einem diagnostisch sicheren Technokomplex sind sehr wahrscheinlich eine Frage der Zeit und der systematischen Suche danach. Teilweise dürften sie sich in den neolithischen Inventaren verstecken.

Literatur: Steinartefakte, Hrsg.Harald Floss Seite 10, Hitzebehandlung  (Tempern) von Jürgen Weiner. /

siehe auch, Neu:
Bertsch (Diss. siehe link)
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-510158


Rosaroter Hornstein, Asch, Geflinse, primäre Lagerstätte.




Sonntag, 7. Dezember 2014

529. Post. Und bist du nicht willig, ...

Kerne und ihre Zielabschäge:

Am Anfang steht das Rohstück, aus geeignetem Gestein, von dem mindestens eine Abtrennung in Form eines Abschlages vorgenommen wurde, um von einem Kern zu sprechen. Das durch ein oder mehrere Abschläge präparierte Rohstück liefert die Grundformen zur Werkzeugherstellung. Meist sind Kerne planmäßig an gelegt und weisen mindestens eine Schlagfläche auf, jene Fläche auf die ein Schlagstein oder ein Schlägel trifft, oder aber ein Punch (ein Zwischenstück) aufgesetzt wird um von hier aus Abtrennungen vor zu nehmen. Man unterscheidet Abschlagkerne, bei denen keinerlei Fläche für einen regelhaften Abbau präpariert wird von Klingenkernen, bei denen stets eine Schlagfläche und ein Leitgrat angelegt wurden, um kontrolliert regelhafte Serien abschlagen zu können. Dabei kann der Kern selbst durch Retuschierung zu einem gezielt hergestellten Kerngerät werden (Faustkeile z.B.) oder im Sekundäreinsatz wurde besipielsweise im Jungpaläolithikum der Klingenkern als "Kielkratzer" genutzt. 

Nicht nur im Neolithikum ist die Artefaktmorphologie, die theoretische Grundlage für die Beschreibung von Artefakten nicht immer ausreichend. 
Manche Kerne entziehen sich der "einfachen" Morphoplogie und die Vorgehensweisen erscheinen nicht schlüssig.  
Da die neolithischen Bauern um Asch, Wippingen und Sonderbuch nun wirklich sehr gut mit Rohmaterial versorgt waren, fragt man sich bei diesem hier vorgestellten Kern, welch zähe Einsatzfreude hier am Werke war, bzw. was den Steinschläger geritten hat, den Kern so hartnäckig bezwingen zu wollen, weil er scheinbar trotz sturem Widersetzen der Materie nicht aufgegeben hat, dem Kern Abschläge ab zu ringen. Man fragt sich, welche Sekundärprodukte aus diesem Kern das Ziel und wozu sie nutzbar waren. 


Unilateral, wenig zielführende Abbauversuche?

Schlagfläche 1, natürliche Kluftfläche.
Wenn es nicht Frust war oder die Lust an der reinen Dengelei, müssen kleinste Abschläge einer sinnvollen Verwendung zugeführt worden sein. Demnach wären kleinere Abschläge als Zielprodukte und Retuschierabfälle (Produktionsausschuss, Debitage) anhand ihrer Dimension nicht zu unterscheiden. 
Alle Abschläge sind an diesem Stück stecken geblieben, und dennoch hat der Steinschläger nicht auf gegeben. 
Bildvordergrund: Ein nach einer ersten steckengebliebenen
 Abtrennung aufgegebener
 Klingenkern von ein und derselben Fundstelle.