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Dienstag, 19. Mai 2015

555.Post. Publikationen über die Steinzeit auf der Blaubeurer Alb?...

...oder, warum es mal wieder nicht ohne die Höhlen geht...

Das meiste, das je über die steinzeitlichen Funde auf der Blaubeurer Alb gesagt oder geschrieben wurde, kommt über allgemeine und theoretische Feststellungen und Interpretationen bis hin zu Spekulationen selten hinaus. Vor allem die vermeintlichen Gunstfaktoren führen zu vielerlei Annahmen.


Publikationen fehlen, weil auch die archäologischen Untersuchungen - Grabungen - fehlen. Auch die Forschungen der survey Fisher/Knipper et.al. sind selten ausführlich. ( Dabei immer noch die wichtigste und eine der wenigen Publikation überhaupt in : Mittlg. der GfU, Band 12, 2003. Zur Untersuchung steinzeitlicher Landschaften der Blaubeurer und Ulmer Alb im Paläolithikum, Mesolithikum und Neolithikum.Lynn Fisher und Corina Knipper, / Edit.27.7.2015:weitere Publikation soll laut mündl. Mitteilung bald folgen. ) Dies gilt insbesondere auch im Bereich des Mittelneolithikums, da Vergleiche in der Nähe in diesem Zeitraum ins Leere laufen. Dabei war die Siedlung "Grund" in Sonderbuch als stichbandkeramische Siedlung durchaus überraschend, da die Verbreitungskarte dieser mittelneolithischen Kultur nicht unbedingt die Blaubeurer Alb bis dato auswies. Aufgrund des Verbreitungsraumes hätten "Rössen" oder "Großgartach" z.B. weniger überrascht. Hier würde man sich wesentlich weitergehende Untersuchungen wünschen. Aus Kontakten mit den Archäologen, die in Sonderbuch und Umgebung Grabungen vorgenommen haben weiß ich, dass hier vieles auf eigene Kosten, quasi ehrenamtlich zu Ergebnissen geführt hat und führt und Spenden für Fortführungen der Forschung sicherlich gerne gesehen werden.

Es gibt weitergehende Forschungen also aus denselben Gründen nicht, aus denen die Löcher in den Fahrbahnen nicht, Freibäder aber sehr wohl geschlossen werden...Wissenschaftliche Forschungen dieser Art werden zu einem Luxus in Zeiten knapper Kassen. Dazu kommt, dass rein, streng wissenschaftliche Forschungen im Blick der Öffentlichkeit keine große Lobby erfahren und fundierte populärwissenschaftliche Publikationen Mangelware sind oder so unqualifiziert, dass sie das Bild der Wissenschaft völlig verzerren. Ein Umdenkungsprozess scheint hier in der Fachwelt angestoßen worden zu sein, weil viele Bürger die Oberhoheitlichkeit der staatlichen Denkmalpflege Kraft Amtes nicht mehr verstehen, und sich im Gegenzug auch immer mehr Bürger einbringen wollen. Dabei ist gut gemeint nicht immer auch sinnvoll. Im Abwägungsprozess, was in unserem Lande angesichts knapper Ressourcen wirklich wichtig ist, gerät die Denkmalpflege immer mehr ins Hintertreffen. Bestimmt der was sinnvoll ist, der die Macht besitzt, die wissenschaftliche Voraussetzung oder letztlich der Bürger selbst, der die Politiker mit Macht ausstattet, und bricht im schlimmsten Fall einem verkappten Hedonismus die Bahn? 

Um die weit überwiegend neolithischen Oberflächenfunde also in irgendeiner Form in regionale Verbindungen zu bringen, können für das ältere Neolithikum immer noch die Publikationen der LBK-Siedlungen Ulm-Eggingen oder Erbach-Ringingen herangezogen werden. Eggingen weist wenige jungneolithische Erscheinungen auf und dann erfreut schließlich noch die Publikation der Grabung im Dorf Ehrenstein, das ein Beleg für die Schussenrieder Kultur, (bzw. dortige Einflüsse der Michelsberger Kultur ( zeitlich eine Phase, in der überregionale Netzwerke eine Rolle gespielt haben müssen), die "auf Kosten des Schussenrieder Verbreitunsgebietes" von Norden nach Süden vorgedrungen ist, aber sich offensichtlich nicht wirklich vor Ort maßgeblich etablieren konnte. "Michelsberger Funde" ( gemessen an der Keramik), die zeitgleich datieren, sind in Ehrenstein unterrepräsentiert, das Netzwerk ist aber unübersehbar. Ausgerechnet Keramik der Michelsberger Kultur fand sich bislang als einzige auf den Pingen des Borgerhau, was aber keinen entscheidenden kulturellen, sondern allenfalls einen zeitlichen Anhaltspunkt für die dort aktiven Neolithiker belegen dürfte.

In Ehrenstein wurde 1952 gegraben und Teil 1 der Publikation erfolgte 1965. Die Publikation der Funde erfolgte erst 1997, und jetzt erst sind für den Sammler im jungneolithischen Oberflächeninventar der Blaubeurer Alb Anklänge an Ehrenstein erkennbar, z.B. identische Sichelklingen. 
Mein Eindruck ist, dass die intensivste Ausbeutung des Hornsteins im Ascher Borgerhau im mittleren Neolithikum stattfgefunden haben müsste, da aus dieser Zeit die meisten Fundstellen um den Borgerhau datieren dürften. Um so bedauerlicher ist es, dass es noch fast keine Untersuchungen und Publikationen im Bereich des mittleren Neolithikums in der Region gibt, die zu Vergleichen herangezogen werden könnten. 
Neben der kürzlich gefundenen und hier gezeigten breitflachen Dechsel
der Linienbandkeramik zeitigt das Höfermahd in Wippingen an selber Stelle
Artefakte, die auch von der stichbandkeramischen Siedlung Grund in Sonderbuch
kommen könnten....
Man kann wohl sagen, dass die gesamte Steinzeit, also auch in früheren Zeithorizonten, auf der Blaubeurer Alb immer noch ein erstaunliches Forschungsdesiderat darstellt, obgleich es seit Jahrzehnten weder an Sammlern noch an Funden, noch an Fundstellen aus dem Freiland von Flächen-  und Kuppenalb fehlt, und das im Umfeld von weltbekannten Höhlen, die auf dem Wege zur Anerkennung als Weltkulturerbe sind...Das Programm heißt nach wie vor weniger Archäologie als UMGEPFLÜGT. Der Pflug bringt es an den Tag und weniger die systematische, archäologische Untersuchung. Umso wichtiger ist hier die Vernetzung von Wissenschaft und Sammlern, die hier schon viele Jahrzehnte in Abfolge die Felder begehen und begangen haben. Das Miteinander besteht auf der Blaubeurer Alb schon längere Zeit und wird erfreulicher weise stetig weiter ausgebaut. Die Begegnung von Laien und Heimatforschern auf Augenhöhe ist nicht selbstverständlich und deshalb für mich umso erfreulicher.

Im Prinzip hat sich seit den Ausführungen von Gustav Riek : "Die Blaubeurer Alb als Lebensraum der würmeiszeitlichen Paläolithiker.." in: Das Paläolithikum der Brillenhöhle bei Blaubeuren", Stuttgart 1973,  nichts was den konkreten Forschungsstand anbelangt geändert. Riek führte in der Brillenhöhle von 1955 bis 1963 Grabungen durch. Er geht  beispielsweise davon aus, dass die Dolinen/Erdfälle auf der Alb um Blaubeuren, die nach meiner Erfahrung hier meist von steinzeitlichen Geräten begleitet sind schon in dieser Zeit bestanden haben, weil er beschreibt, dass "diese im Winter vermutlich mit Schnee gefüllt gewesen seien." Zumindest im Frühjahr während der Schneeschmelze bzw. dem zeitweiligen Auftauen des Bodens, so kann man sich weiter vorstellen, mag das Wasser auch im wassergesättigten Boden in diesen Senken längere Zeit stehen geblieben sein und die heute noch erhaltene Bucher Hühle bei Sonderbuch gibt einen Eindruck davon, wie das ausgesehen haben könnte. Allerdings, so mutmaßt Riek, dürfte wassergesättigter Boden, also zeitweiliger Morast sicherlich von der Tierwelt wie von den Jägern gemieden worden sein. Wenn die Gegend aber bis auf die Senken und Dolinen/Erdfällen weitgehend trocken fiel, dürften sie aber zumindest für Tiere einen Anziehungspunkt gebildet haben und der Umstand von Wasservorkommen ein Gunstfaktor gewesen sein. Der Jäger, der den Tieren folgte, oder der ihnen an der Tränke auflauerte, ließ dann da und dort Werkzeuge zurück... Die geologischen und klimatisch orientierten Ausführungen von Riek sind mehr, wenn auch solide theoretisch, als durch konkrete Untersuchungen entstanden. Aufschlüsse, die Schlüsse zuließen waren bisher meist Zufällen und nicht systematischer Forschung geschuldet, Funde aus der gesamten Steinzeit sind überwiegend Ergebnisse von Oberflächenprospektionen und nicht von Grabungen. Selbst Versuche von Auswertungen der Sammlungen fehlen bislang oder sind nicht publiziert. Ein sehr interessanter Aspekt in Rieks Publikation ist den Fließerden gewidmet, die für sicherlich gewaltige Verlagerungen von Artefakten von den alten Oberflächen gesorgt haben müssten. Im Prinzip greift Riek lediglich auf noch sehr viel ältere geologische Untersuchungen und Erkenntnisse zurück, die die Anwesenheit der ersten Menschen nicht im Fokus hatten.

Vorstellbar...allerdings weniger in paläolithischer Zeit der Steppen
und Tundren, aber in neolithischer Zeit, als das Klima mit heute ver-
gleichbar war sicherlich...

Bucher Hüle 2015
Bis hinein in die Neuzeit, spielten Hülen eine wichtige Rolle bei der Wasserversorgung auf der Alb. Neben den Hülen, meist für das Vieh oder als Löschwasserbehälter fungierend, unterhielten die Bewohner auch Zisternen, in die sie das Wasser von den Hausdächern leiteten ("Hausbrunnen"). Ich weiß nicht, ob schon einmal jemand darüber nachgedacht hat, inwiefern die vielzitierten "hausbegleitenden Gruben" der neolithischen Häuser nicht auch teilweise die Funktion von Zisternen gehabt haben könnten, immerhin lagen sie meist unter dem Trauf des Hauses. Als oft beschriebene "Lehmentnahmegruben" dürften sie das Wasser vom Trauf der Dächer auch ohne weiteres Dazutun lange gehalten haben. Selbst Wildschweine schaffen es, lange das Oberflächenwasser haltende Suhlen im lehmigen Boden zu schaffen.

siehe auch:
http://lesefunde.blogspot.de/2013/06/549-sonderbuch-am-see.html

siehe auch .
http://www.archaeologie-online.de/magazin/nachrichten/spurensuche-in-dolinen-33675/

Auf die geologischen Verhältnisse geht auch E.Wagner in "Das Mittelpaläolithikum der Großen Grotte" ein. Er zitiert Gradmann, wonach die Hochfläche der Alb im Norden von Blaubeuren eine alte, nur wenig veränderte Tertiärlandschaft ist. Im Obermiozän und Altpliozän floss die Donau im Niveau der heutigen Albhochfläche. Auf der Achse dieses alten Flusslaufes liegen sehr viele Dolinen und ebenfalls sehr viele steinzeitliche Fundstellen. Der Ackerboden verfügt hier deshalb über eine erstaunlich große Mächtigkeit und hier waren die wohlhabendsten Grundherren und später Bauern begütert. (Flurnamen wie "Breite" oder "Herrenäcker" zeugen noch davon) Die Alb war im Obermiozän und Altpliozän großteils Tiefland. Die Entwässerung erfolgt noch rein oberirdisch und das Land lag quasi nur wenige Meter über Meereshöhe. Teils entwässerte die Oberfläche zur Donau, teils zu deren Nebenflüssen und dieses Talnetz blieb im heutigen System von Kuppen und Trockentälern erhalten. Durch die Hebung der Alb setzten Eintiefungen der einzelnen Talstrecken ein und auch die Verkarstung und die meisten Flüsse verloren damit ihr Wasser. Der quasi Hauptsammler der Entwässerung der Alb war im jüngeren Pliozän die (Aare-) Donau die Schotter des Aare-Gotthard-Massivs führte und die heute in 700m Höhe auf der Blaubeurer Alb liegen. Als die Donau im Riß-Glazial ihr altes, nach und nach bis zu 40 Meter eingetieftes  Albtal verließ, hinerließ sie auch Schotter aus dem Schwarzwald und dem Alpenraum. Groschopf fand sie in dieser Tiefe durch Bohrungen (1963) Die Entstehung der Höhlen hängt mit dieser Eintiefung des Tales zusammen. Der Einschneidung des Tales folgte die Verkarstung in immer tieferen Schichten, ist also genau wie die damit in Zusammenhang stehenden Dolinen/Erdfällen eine sehr alte, geologische Erscheinung. ( Riß Glazial/ etwa zwischen 350.000 und 120.000 Jahren vor heute. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass Dolinen bereits vor der Ankunft der ersten Menschen genauso wie die Höhlen vorhanden waren)  
Viele der auf alten Karten teilweise noch verzeichneten Dolinen/oder Erdfälle wurden im Laufe der Jahrhunderte verfüllt. Einige sind heute geschützte Naturdenkmale und vielleicht im ein oder anderen Fall auch Kulturdenkmale einer besonderen Art? Siehe auch Post 516.:

https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=5486790017099944322#editor/target=post;postID=2119728863198074226;onPublishedMenu=posts;onClosedMenu=posts;postNum=39;src=postname
Erdfälle bei Sonderbuch....wie Perlen auf der Schnur...
vergl. Knut Bretzke,  Oberflächenfunde als Quelle siedlungsarchäologischer Untersuchungen. Mittlg. der GfU
17/2008. Zit.: "Mithilfe des Methodenspektrums Geographischer Informationssysteme gelangen  (in Ma'aloula, Damaskus) eine Quantifizierung der Beziehungen zwischen archäologischen Hinterlassenschaften und Raumcharakteristika sowie die Ableitung verschiedener siedlungarchäologischer Merkmale. Im Ergebnis konnte eine kleinflächige Nutzung  des Raumes mit starker Fokussierung auf die permanenten Wasserquellen erarbeitet werden...."

2

Weiträumig verbreitete Kulturen wie die LBK im beginnenden Neolithikum, der ersten bäuerlichen Landnahme, mit ihrer unverwechselbaren Typologie, bedarf bei Analysen weniger der Vergleiche einer Region. Das ändert sich im mittleren Neolithikum, der Zeit der Regionalisierung und besonders dann im Jungneolithikum, als eine Zeit äußerster regionaler und lokaler Differenzierung, und es kommt auf jede einzelne Fundstelle an.Typen können nur ein grobes Raster darstellen und nichts macht die einzelne Fundstelle, weil sie einen unersetzbaren Mosaikstein des Gesamtbildes ausmacht, verzichtbar. Dass wir aber z.B. über die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts in Mitteleuropa immer noch wenig wissen liegt weniger an der Forschungslücke, sondern liegt auch an der Dürftigkeit der Befunde begründet, indem Bauten offenbar nur wenig Spuren im Boden hinterließen und die Siedlungsplätze starker Erosion unterworfen waren. Oberflächenfunde sind so gesehen vielleicht die einzigen Belege dieser Zeit und deshalb entsprechend wichtig, da sie die letzt mögliche Impression der Kultur vermitteln, zumal in dieser Zeit überregionale Netzwerke eine bedeutende Rolle zu spielen scheinen, die sich auch aus dem lithischen Inventar ableiten lassen und Prestigegüter eine Rolle spielten, die auch ideelle Inhalte über weite Strecken transportierten. Solche Entwicklungen nagen aus mancher Sicht auch an dem Begriff der archäologischen Kultur als eigenständig funktionierende Entität.

Das Bild des Paläolithikums dagegen werden auf lange Sicht und nahezu ausschließlich, wíe bisher auch, die Stratigrafien und Funde aus den Höhlensedimenten prägen, obgleich sich das Leben zu wesentlich größeren Teilen außerhalb der Höhlen abgespielt haben dürfte. Die Belege dafür sind verhältnismäßig selten. Ausnahmen bilden Fundstellen wie die rein paläolithische Hornsteinabbaustelle in Börslingen. Blaubeuren wartet auf einen vergleichbaren "hotspot" der Altsteinzeit im Freiland. Die Chancen so etwas eines Tages zu finden stehen nicht schlecht. Dass es solche Stellen auf der Blaubeurer Alb geben muss steht für mich außer Frage, es ist nur die Frage wo und wie gut sie sich erhalten haben.Vorerst bleiben die mittel paläolithischen und Jung paläolithischen Funde der Alb Einzelfunde... und die gibt es.  Einer hochfrequenten Fundstelle möge dann ein angemesseneres Schicksal beschieden sein als der einzigartigen, sehr bedeutenden Börslinger Fundstelle. Dafür, dass in der heutigen, hoch zivilisierten, aufgeklärten Zeit so eine Fundstelle zerstört werden kann,  noch dazu aus einem sehr trivialen Grund, dafür fehlen mir einfach die Worte. Im Prinzip können mehrere Arten von Freilandfundstellen unterschieden werden. Einmal kann es sich um Funde auf den Flächen von Hornsteinvorkommen handeln (Abbaustelle Börslingen). Der Aufenthalt dort war wohl nur temporär und die Artefakte dürften sich weitgehend auf das dort anstehende Rohmaterial beschränken, wohl meist Artefakte der Grundproduktion und eben Abfälle von der Zurichtung, die Werkzeuge selbst dürften weitgehend mitgenommen worden sein. Solche Stellen zu datieren kann sich also am ehesten an den Abfällen orientieren, Lagerplätze dagegen können zwar auch sehr kurzfristig für Jagdaufenthalte genutzt worden sein, bei längerem Aufenthalt steigt auch die Fundfrequenz und hier können viele verschiedene Rohmaterialien eingebracht worden sein, das Rohmaterialspektrum müsste vergleichsweise größer sein, ebenso das Aufkommen fertiger und benutzter Werkzeuge. Ein solches Spektrum, das nicht ausschließlich aus dem hier anstehenden Hornstein besteht, zeichnet sich möglicherweise in Sonderbuch auf einer einigermaßen begrenzten Fläche ab. Auch sie steht im Kontext von Erdfällen. An solchen Fundstellen wird das Paläolithikum im Freiland über alle geologisch, klimatologisch und sonstigen theoretisch erörterten Rahmenbedingungen hinaus erstmals auch faktisch greifbar und nachweisbar.


Fisher und Knipper ( GfU2003) gehen bei ihren Untersuchungen auch auf die Probleme von Oberflächenfundstellen und Sammlungsinventaren ein und worauf es ankommt um mit den so (= Absammlungen) erfassten Fundbelegen auch das größtmögliche Aussagepotential  zu erhalten, da eine Entnahme aus dem Kontext immer Informationen unwiederbringlich zerstört. Das Mantra, dies unter Dokumentierung möglichst vieler Informationen zur Fundstelle zu tun, taucht auch hier auf, da vor allem die einschlägigen Sammlerforen im Internet einen völlig überzogenen Fokus auf die Fundstücke an sich zeigen. ( Stichwort Einmessen in der Fläche/ Geodaten) Dieser wissenschaftliche Anspruch ist sicher noch nicht in allen Köpfen angekommen und der Mythos von der Sinnlosigkeit des Einmessens auf durch die Landwirtschaft gestörte Böden scheint unausrottbar.

siehe auch:

http://archaeologik.blogspot.de/2012/08/untersuchungen-zur-hornsteinnutzung-auf.html

http://archaeologik.blogspot.de/2012/07/eine-neolithische-haldenlandschaft-auf.html

http://archaeologik.blogspot.de/2010/07/aufarbeitung-der-sammlung-albert-kley.html

http://archaeologik.blogspot.de/2013/10/abbaustellen-und-siedlungen.html

http://www.jna.uni-kiel.de/index.php/jna/article/view/12/12

englischsprachig, mit link zu post 432:
http://www.saa.org/Portals/0/SAA/ABOUTSAA/interestgroups/prehistquarry/Quarry%2010%20Sept%2013.pdf#page=8

zu Brunnen, Zisternen un Dolinen:
http://archaeologik.blogspot.de/2014/06/brunnen-zisternen-dolinen-eine.html

Freitag, 15. Mai 2015

554. Die diskoiden Kerne vom Schlaghau/Sonderbuch.

Anders als der Abbau an den neolithischen Klingenkernen, dienten diskoide Kerne zwar ebenfalls dem Abbau von Abschlagserien, unterscheiden sich aber einmal durch einen vollständig umlaufenden Abbau und zum Anderen wurden auf diese Weise keine Klingen erzeugt, Der Schlaghau ist wie ebenfalls die nachfolgenden mittelneolithischen Kulturen so vor allem durch konische Klingenkerne geprägt, die überwiegen. 

Abseits der durch Geomagnetik erfassten Linienbandkeramischen Häuser lässt sich das Aufkommen dieser Kerne ziemlich genau eingrenzen.

Manche dieser Kerne zeigen auch klare Gebrauchsspuren, also Anzeichen der Benutzung mit teilweise nachbearbeiteten Kanten. Möglicherweise hatten diese Kerne dann auch eine konzeptionell verwendbare Funktion 


vollständig abgebaut

nicht weit entfernt vom Levalloise-Konzept des MP...
Diskoide Kerne kommen schon im frühen Altpaläolithikum bis zum Neolithikum gelegentlich ebenfalls noch vor.
Siehe auch:
http://www.steinzeitwissen.de/artefakttypen/diskoide-kerne

Donnerstag, 14. Mai 2015

553. Post. Die kleinen Kerne von Sonderbuch

Kerne, die für die Linienbandkeramik nun eher nicht die Regel sind, finden sich im Oberflächenkontext eines Siedlungshügels, der über längere Zeiträume besiedelt worden sein muss.

Unstrittig sind durch archäologische Untersuchungen die Siedlungszeiten des älteren Neolithikums, indem Pfostengruben und haus begleitende Gruben sicher datiert werden konnten. Die absolute Chronologie bleibt jedoch oft, insbesondere bei Oberflächenfunden aus.

Getemperter Kleinstkern mit Zielabschlägen, die in keinem
 Falle ohne eine Schäftung
funktioniert haben dürften

Mehrere Kleinkerne. Links mit bipolarem Abbau und nur wenige
Millimeterbreiten Zielabschlägen, die auf der Oberfläche noch
nicht nachgewiesen werden konnten.


 Zeigen die kleinen Kerne zwei zeitlich auseinanderliegende Nutzungshorizonte an, oder belegen sie Kooperation, Assimilation, Inkulturation, Kulturtransfer..? Meist werfen Funde mehr Fragen auf, als sie beantworten, besonders wenn sie ihrer Zusammenhänge beraubt sind, wenngleich dies auch unaufhaltsam durch geologische Prozesse fortschreitet oder der landwirtschaftlichen Nutzung geschuldet ist, also dem heutigen Leben und seinen Grundlagen, die nicht grundsätzlich in Frage stehen können. In diesem Wettlauf die letzten Impressionen und Belege zu sichern, kann man als kulturelle Aufgabe unserer Zeit verstehen.  
Siehe auch: http://www.archaeologie-online.de/magazin/nachrichten/steinzeitliche-parallelgesellschaften-27429/
und siehe auch: http://www.alphagalileo.org/ViewItem.aspx?ItemId=135340&CultureCode=de

Manche Artefakte, so lehrt uns die Artefaktmorphologie, sind nicht an  eine bestimmte Zeit gebunden oder an eine bestimmte Kultur, So können bestimmte Artefakttypen sowohl in einer "älteren" als auch in einem "jüngeren" Kultur auftreten und lassen sich nicht immer und in jedem Fall auf Anhieb sicher voneinander unterscheiden. Oft halten erste Einschätzungen einer genaueren Untersuchung nicht stand. In Zeiten von Parallelgesellschaften wie die letzten Jäger und Sammler und die Neolithischen Bauern betreffend,  kann eine Erscheinung zwar zwei scheinbar verschiedene Kulturen, aber auch einen sehr langen, gemeinsamen Zeithorizont betreffen und welche Überschneidungen und gegenseitige Einflüsse hier durch lange Zeiträume zumindest theoretisch möglich waren, eröffnen durch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse ein weites Feld der Forschung, was reine Oberflächenfunde angeht aber auch der Spekulation. 
So gesehen, kann mein Eindruck richtig sein, dass es sich bei den kleinen Kernen um mesolithische Erscheinungsformen/ Zeugnisse bestimmter Technologien handelt, also von den noch lebenden Jägern und Sammlern, quasi der Urbevölkerung hergestellt wurden, dieser Zeitpunkt aber nicht zwingend vor dem Eintreffen von den dort lebenden ersten Bauern stattgefunden haben muss. Genaueres sagen uns reine Oberflächenfunde leider nicht.
Deshalb...
 Schau genau..!
Beileibe keine Pfeilspitze...erstens zu groß, zweitens Kanten verrundet
Bleibt als "neolithische Erklärung" wohl nur ein Bohrer, es sei denn,
es liegt etwas Älteres vor...

Eine so ausgeprägte Siedlungstätigkeit, wie sie die Bandkeramiker auf SOND 008 veranstalteten, hat zwangsläufig auch frühere Kulturzeugnisse verlagert und in Mitleidenschaft gezogen, während jüngere Siedlungserscheinungen schon der Erosion und der Landwirtschaft zum Opfer gefallen sind. Durch Konsequentes Einmessen kann versucht werden, wenigstens noch die Verteilung in der Fläche zu erfassen.
"Bifazielles" das vielleicht mal etwas länger war...
Je öfter und länger man sich die "üblichen Verdächtigen" aus eigentlich neolithischem Kontext anschaut, desto öfter kommt einem dieser Gedanke: "Alle sagten, das gibt es da nicht, dann kam einer, der wusste das nicht und hat's einfach gefunden..."

Dienstag, 12. Mai 2015

552. Post. Kernkante mit Stichelschlag?

Das Höfermahd in Wippingen überrascht mal wieder...

Heute eine Klinge,  möglicherweise mit Hitzespuren, da nur die Negative Glanz aufweisen. Auf der Dorsalseite blieb ein Grat mit Kortex stehen. 
Das Distalende mit Stichelschlag (?)


Der Schlagflächenrest zeigt eine Lippe nach ventral
Die Dorsalseite mit Kortex

551. Post. Glänzendes Ergebnis...

einer einstündigen Begehung ... auf langsam zuwachsenden Flächen...

Ein großer Abschlagkratzer mit "Glanzretuschen."

Der Kratzer stammt von einer dominant jungneolithischen Siedlung mit möglicherweise älteren Komponenten in Asch. Polituren an Kratzerkappen sind nichts Ungewöhnliches und lassen sich je nach dem mittels Gebrauchspurenanalysen in geringem Umfang auch der Tätigkeit mit bestimmten Materialien zuordnen. Je nach Material kann ein für das jeweilige Material typischer Glanz entstehen.
Anders dagegen und deshalb nicht dadurch zu erklären sind die glänzenden Negative auf Silex, hier Hornstein, wie sie nach Erhitzung des Ausgangsmaterials entstehen. 
Die rechte Lateralkante
Der Glanz (lustre) zeigt sich ausschließlich auf den Retuschen, den durch Modifikation und Gebrauch entstandenen Negativen an der Kratzerkappe und der rechten Lateralkante, Die gesamten Flächen der Grundform, insbesondere die komplette Ventralseite,  sind matt. Würde es sich um eine durch Gebrauch entstandene Politur handeln, müsste sich der Glanz auf den gesamten Flächen, besonders aber auch auf den Graten , respektive in erster Linie auf den erhabenen Stellen zeigen, nicht in den tiefer liegenden Retuschen.
Draufsicht auf die Dorsalseite. Krazerkappe links.
Das Artefakt war wohl einmal etwas länger und ist alt gebrochen und ist somit ein Distalfragment. Auch die Bruchfläche zeigt Glanz. Gegen das Proximalende hin zeigen sich Retuschen rechtslateral auch nach ventral, so dass das Artefakt vielleicht geschäftet gewesen sein könnte.  
Die Kratzerkappe ist deutlich von Gebrauchsspuren überprägt und zeigt auch Anzeichen für eine Nachschärfung.

Herzliche Grüße an die Kollegen des letzten Teils der Schulung...http://www.denkmalpflege-bw.de/denkmale/projekte/archaeologische-denkmalpflege/metallsondenprospektion.html.  Ein entspannender Lauf über den Acker war dringend nötig...nach 6 Stunden "Bombenstimmung" bei den Kampfmittelbeseitigern...

Sonntag, 10. Mai 2015

550. Post. Jungneolithische Pfeilspitzen...

Eine der jungneolithischen Folgesiedlungen der bekannten frühneolithischen (LBK-) Siedlung Erbach- Ringingen in der Nähe von Allmendingen- Altheim weist eine Stelle auf, auf der eine bemerkenswerte Konzentration von Pfeilspitzen auffällt.

Neu: Bifaziell flächig retuschiert und mit konkaver Basis, dorsal

ventral und auch bei ungleichmäßgen "Flügelspitzen" unbeschädigt.


Auch die Pfeilspitzen zeigen scheinbar alle auf dieser Siedlung verwendeten Hornsteinvarietäten,
nun in der Sammlung wiedervereint. 
Es muss eine besondere Bewandnis haben, dass mehrere Pfeilspitzen auf ein und derselben Stelle eingemessen werden konnten und vielleicht noch können. wären sie alle unbeschädigt, wäre sicherlich darüber nach zu denken, ob sie aus dem Zusammenhang von Bestattungen kommen. Auch eine beachtliche Zahl von qualitativ guten Kratzern kommt aus diesem Bereich, während die Debitage hier fast völlig fehlt und etwas weiter weg in gesichertem Siedlungskontext sehr viel höher ist. Die Siedlung und die damit verbundenen Fundstellen konnte ich im Zuge der Verlegung einer Erdgastrasse von Jahren erkennen und gehe die Flächen deshalb heute noch gelegentlich ab. Da hier größere Erdbewegungen stattfanden, ist das Einmessen der Funde nicht überall sinnvoll. Der Bereich in dem sich die Pfeilspitzen häufen, blieb von der Trassenführung unberührt. Da das unmittelbar daran grenzende Feld völlig ohne Funde ist, könnten hier noch Bereiche liegen, die nicht in Mitleidenschaft gezogen sind. Die für die Siedlungserscheinung verantwortliche Kultur konnte noch nicht sicher festgestellt werden, zumal dieser Zeitabschnitt durch eine Zeit äußerster auch regionaler Differenzierung gekennzeichnet ist. 

Donnerstag, 7. Mai 2015

549. Post. Klinge mit Lateralretusche

Eine Artefakt aus Klingengrundform, aus grauem, lokal anstehendem Hornstein aus dem (mehrphasigen, weitgehend neolithischen) steinzeitlichen Kontext bei Wippingen...

der schon mindestens seit den 1950er Jahren immer wieder begangen und von den unterschiedlichsten Heimatforschern und Archäologen in den Fokus genommen wurde, zeigt uns heute eine Klinge, deren rechte Laterale zu einer einseitigen Spitze zugerichtet und dafür nach dorsal retuschiert wurde. Die Retuschen zeigen auffallend starken Glanz.

Die linke Laterale zeigt die Kante der Grundform und so wirkt das Artefakt wie ein einseitig zugerichteter "Bohrer." Die unretuschierte Kante zeigt bei genauem Hinsehen ebenfalls einen fast nicht sichtbaren, leichten, schmalen Saum von Glanz, so dass dieser nicht nur auf den (Ventral-)Flächen der Retuschennegative vorkommt. Glanz tritt auf Negativen vor allem durch eine intentionelle Hitzebehandlung auf,während der Glanz auf der unretuschierten Kante sicher eine Gebrauchspolitur sein dürfte.
die übersteilte Retusche liegt im Bild oben
In vielen Inventaren, z.B. im mittelneolithischen Inventar von Sonderbuch Grund, machen die lateral retuschierten Stücke einen erheblichen Prozentsatz der modifizierten Artefakte aus.  Lateralretuschen sind ein formales, morphologisches Kriterium der Ansprache, aber kein eindeutiger Hinweis auf die Funktion. Sie können Funktionskante/ende sein, zum Zwecke der Schäftung oder zum Schutz der Hände als Stumpfung bei der Benutzung ohne Schäftung angelegt worden sein, da eine Klinge oder ein Abschlag als Grundform in der Regel zwei scharfe Lateralkanten aufweist.  

Samstag, 2. Mai 2015

548. Post. Leider ohne "Herstellungsdatum..."

...sind ausgerechnet die kleinen Kerne, deren Zielabschläge so schmal und dünn gewesen sein müssen, dass am neolithischen Kontext Zweifel aufkommen könnten...

vor allem eben deshalb, weil langschmale Klingen, auch Lamellen genannt, Leitformen früherer Zeitstellungen sein können. Fluch der Oberflächenabsammlung...
Zielabschläge dieser Größe erscheinen ohne Schäftung
zunächst wenig sinnvoll, jedoch sind langschmale Klingen
vor allem im stichbandkeramischen
(und damit einem mittelneolithischen)  Kontext
der Siedlung"Grund", relativ häufig. 

Kern aus der Nähe einer Siedlungsfläche beim Borgerhau
aus deren Kontext auch paläolithische Artefakte
kommen.
Oben und unten: Kerne an Abschlag mit Sekundärfunktion als Kratzer? einfache Kerne, Kratzer...nicht immer einfach zu entscheiden.
Oben: Unilaterale Gebrauchsretuschen an einem Kern, partiell mit
durch Gebrauch entstandenen Polituren.

Oben: Unilaterale, sehr steile  Kratzerkante, ein Artefakt, das so gar nicht
 dem Standard des Neolithikums entsprechen will. 
2 modifizierte Artefakte aus demselben Kontext, links eine Spitze mit bifaziell
retuschierten Lateralen, wobei das Proximalende ähnlich bei Dolchen und
Pfeilspitzen an der Spitze liegt (erkannbar durch den Bulbus)  und ein Abschlag mit leicht gebogener
Endretusche nach dorsal. Beide Grundformen wurden durch direkten,
harten Schlag vom Kern getrennt.

Freitag, 1. Mai 2015

547. Nicht nur "Premium-Rohmaterial..."

 ...sondern auch weniger brauchbares, minderwertigeres fand in der Steinzeit Interesse und Gebrauch,

So zum Beispiel auf einer Siedlung bei Wippingen, die über einen längeren Zeitraum besiedelt war und aufgesucht wurde. Diese Unterscheidung deshalb, weil zwischen dem neolithischen Siedlungsinventar auch kleinere, primäre Residuallagerstätten von etwas rauerem Hornstein fest zustellen sind. Die sporadische Ausbeutung kann zu unterschiedlichen Zeiten erfolgt sein, beispielsweise, wenn es bei der Feldbestellung im Neolithikum eher zufällig entdeckt worden sein mag. 
Auch Geoturbation, der Frost oder allgemein die kolluvialen Prozesse spielten eine Rolle bei dem wohl weitgehend geologischen Vorgang, der den ausgewitterten Hornstein hier an die Oberflächen schaffte und einen leichten Zugriff ermöglichte, auch wenn die Qualität des Materials zu wünschen übrig ließ. Hier in den oft dünnen uns spärlichen, ausgewitterten "Lagen" Pingen an zu legen, wäre ein unverhältnismäßiger Aufwand gewesen.
Einige dieser ausgewitterten Knollen schafften es trotz schlechterer Qualität auch in die nahen oder weiter weg liegenden Siedlungen und blieben nicht nach profunder Materialprüfung und Verwerfung an Ort und Stelle ( Lagerstätte) liegen. 
Sehr archaisch , also sehr viel Älter wirken Abschläge aus den raueren
Hornsteinen der Blaubeurer Alb, denen in der Vergangenheit
nicht selten ein höheres Alter zugesprochen wurde.

So stark zerklüftetes Material forderte den erfahrenen Steinschläger besonders heraus und man ist geneigt so etwas in einen Zeithorizont zu stellen, in der die Ressourcen knapp gewesen sein könnten.
Rechts ein ähnliches, bifaziell reduziertes Stück aus Asch, ebenfalls aus einem
Siedlungskontext.