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Donnerstag, 7. Januar 2016

591. Post. Forschungsgeschichte(n) Albhöhlen. Teil 1

Indiana Jones am Beckerloch...1926


Jeder Sammler, so er nicht mit der Denkmalpflege vernetzt ist, muss sich fragen lassen, welche Motive ihn antreiben und ob seine Motive im Sinne der Erforschung sind und/oder  dem Erhalt der primären Quellen dienen... oder doch mehr zu ihrer stetigen Zerstörung ohne wissenschaftlichen Nutzen beitragen. Die Frage ist, wo er sich, frei nach Jung zwischen reinem Hedonismus und Professionalisierung bewegt. Es sind immer sehr persönliche Motive, die den Menschen zu Handlungen und Leidenschaften treiben. Wer den Weg über ein Studium den Weg in die professionelle Archäologie wählt, ist zwar zeitlebens immer noch von persönlichen Motiven getrieben, doch zwingt ihn die Profession zu reflektiertem Handeln nach wissenschaftlichen Standards an dem er und sein Wirken gemessen wird und die Kritik der Kollegen ist ihm gewiss. 
Es war aber ja nicht immer so, dass sich ein kollektives, gesellschaftliches Bedürfnis unsere primären Geschichtsquellen zu schützen in Schutzgesetzen niederschlug, ja sich sogar schon seit langem in internationalen Übereinkünften manifestiert,  dies als weltweite Aufgabe wahr zu nehmen. Siehe:

http://www.landesarchaeologen.de/fileadmin/Dokumente/Texte_Denkmalschutz/171_1992_Europarat_archaeologErbe.pdf

Freilich mit mehr oder weniger Erfolg bei der nationalen Umsetzung. Noch im letzten Jahrhundert trieb der Forschungsdrang noch hochoffiziell seltsame Blüten und die "Pioniere" der Urgschichtsforschung waren aus heutiger Sicht nicht selten auch die Totengräber der bis dato ungestörten Bodenarchive. Viele Funde können nur noch aus der Literatur zitiert werden und sind über die Jahre "verschollen", Das vorgegebene Interesse an der Geschichte reichte als Legitimation für diese oft de facto Zerstörungen aus. Parallelen in heutige Zeit und noch lebende Personen sind rein zufällig.

strangers in the cave...

Im Jahre 1892 wurde die Laichinger Tiefnhöhle entdeckt. Günstige Urteile von Fachleuten und Befahrungen führten zu der Gründung des dortigen Höhlenvereines, der die Erforschung vorantrieb. Der Verein war schnell anerkannt und im Jahre 1926 hatte sich der Verein ein solches Ansehen erworben, dass dem verein die Durchführung der Tagung des Hauptverbandes Deutscher Höhlenforscher übertragen wurde.



In Schelklingen forschte über mehrere Jahre
Dr. Hans Karl Becker.

Hans Karl Becker war der Präsident des "Verein für Höhlenkunde in Frankfurt am Main", gegründet im Januar 1922.  Schon bald nach der Gründung des Vereines erfolgten erste Kontakte nach Schelklingen, wo Becker in Schultheiß Fischer ein offenes Ohr für die Anliegen der Forschungsgesellschaft gefunden hat. Wegen der politischen Veränderungen wurde der Verein gegen 1937/ 38 aufgelöst.
Bibliographie/ Forschungsergebnisse:
Es scheint unmöglich auf die Fülle von Expeditionen und Forschungen aller höhlenkundlichen Gesellschaften und Vereine ein zu gehen, zumal die Aufzeichnungen meist unveröffentlicht blieben und über die Wirren des zweiten Weltkrieges verloren gingen. So auch das Höhlenforschungsbuch des Herrn Dr. Becker, seine Papiere und Dokumentationen der surveys, weil sein Haus in Frankfurt im Jahre 1944 wie fast ganz Frankfurt niederbrannte. So sind keinerlei Forschungsergebnisse im Original erhalten geblieben. Wohl aber gibt es noch Kopien seiner Veröffentlichungen, z.B. "Kleiner Leitfaden der Höhlenkunde"  von Hans Karl Becker, Frankfurt/ Main 1923. der auch als Reprint der Höhlenforschergruppe  Rhein-Main aus dem Jahre 1985 vorliegt. Weiter der Aufsatz : "Die alten Höhlenflüsse der Lomme und Lesse, Veröffentlicht in "Speläologisches Jahrbuch 1923.
Dann gibt es noch zwei 'Werke: "Leitfaden der Höhlenkunde" und "Kleiner Leitfaden der Höhlenkunde", die mangels Geldmitteln vom Verein mittels Abschriften auf Schreibmaschinen vervielfältigt und verbreitet wurden. Auf allen Reisen begleitete Becker eine Sekretärin, das Fräulein Winzinger.  Die mittels Sekretärin mit der Scheibmaschine oder von Hand geschriebenen und festgehaltenen surveys sind allesamt verloren. 
Weiter: Blätter des Schwäbischen Albvereins 36,1924 . Kurze Charakteristik der wichtigsten Albhöhlen. Auszug aus dem Buch "Die deutschen Höhlen" als Manuskript gedruckt Frankf./M. 1926.
Wenige Zeugnisse der Forschungstätigkeiten in Schelklinger Höhlen sind noch vorhanden.  


Tagungsprogramm 1926, Original Sammlung Bollow.

Für eine Tagung des Hauptverbandes Deutscher Höhlenforscher gab es im Vorfeld in Schelklingen einen regen Schriftverkehr zwischen Becker und dem Gemeinderat, der hier alles organisierte. Eine besondere Quelle der Forschung sind hier die entsprechenden Gemeinderatsprotokolle. Das Programm sieht am 8.September 1926 in Schelklingen Befahrungen und Grabungen in verschiedenen Trupps vor. Aufgezählt sind die Höhlen Sirgenstein, Hohlefels, Hindenburghöhle und Gansers-Felsenhöhle. Die Forschungsgruppe quartierte sich in Schelklingen ein. Die Gemeinde Schelklingen trug auch die Kosten für Arbeiter, die bei den Grabungen halfen und ließ zur HindenburgHöhle einen neuen Weg anlegen. Meist waren mit den Forschungen auch Lichtbild-vorträge in Schelklinger Gasthäusern verbunden, so auch 1926.

Im Jahresheft für Karst- und Höhlenkunde 1963 ( Die Höhlen des Ostteils der mittleren Schwäbischen Alb, von Helmut Frank) gibt es eine vollständige Liste aller in diesem Raum befindlichen, bekannten Höhlen. Diese Liste führt auch die genannte Hindenburghöhle auf. Biese (Berlin, 1926 ebenfalls Teilnehmer der Tagung)  berichtet "Über einige Höhlen der Schwäbischen Alb 1927" zum ersten Mal über die Kleinhöhle. Sie befindet sich am Osthang des Schelklinger Berges, 1,7 km Südöstl. der Stadt, Es münden in den Felswänden der Gollenhalde, etwa 6o Meter über der Talsohle, eine ganze Anzahl kleiner Höhlen aus. Neben dieser Höhle befindet sich in der Gollenhalde auch das sogenannte "Beckerloch" oder Beckerhöhle, etwa 50 Meter von der Hindenburghöhle entfernt. Sie ist nach Hans Karl Becker benannt und nur etwa 6 Quadratmeter groß. Sie wäre kaum erwähnenswert, wenn dort keine paläontologischen Funde gemacht worden wären. Die Funde wie auch Fundberichte sind wohl allesamt verloren, jedoch berichtet Helmut Frank 1963 davon, dass im Beckerloch der "Fund einer ausgesprochen starken Wildkatze" gemacht worden sei. Was aber noch sehr viel interessanter ist sind die Funde in der Hindenburghöhle. Im Jahre 1926 so Fank weiter- und damit im Zusammenhang mit der Tagung und den angekündigten Befahrungen und Grabungen - fanden sich dort paläontologische Funde und geringe menschliche Spuren der Vorzeit, der Spätlatenezeit und der Spätbronzezeit. Worauf sich Helmut Frank 1963 bezieht, bzw. woher er diese Angaben hat,  führt der Verfasser nicht näher an. Funde sowohl von der zur Befahrung während der Tagung angemerkten Höhlen: Sirgenstein, Hohlefels und Ganserfels sind durch systematische Ausgrabungen anderer Forscher bekannt (Fraas, Schmidt). Weder von Erkenntnissen Beckers noch von dessen möglicherweise aus heutiger Sicht schädlichen Eingriffen sind mir weitere Hinweise bekannt, rezente Störungen müssten durch archäologische Untersuchungen jedoch nach zu weisen sein.Nicht nur auf den Äckern, sondern an den wichtigsten Fundplätzen unserer Urgeschichte wurde also mehr oder weniger oft "Umgepflügt". Einmal mehr fällt mir in diesem Zusammenhang die Aussage ein, man könne nur schützen was man kennt und setze dagegen, dass es hier wie anderswo fatal war, dass Fundstellen so früh erkannt wurden. Je später man solche bedeutenden Fundstellen erkannt hat, desto mehr kam ihnen der Fortschritt der Wissenschft zugute. Untersuchungen spiegeln den Zeitgeist und den Stand der Kenntisse und Möglichkeiten. Umso wichtiger ist der Erhalt der primären Quellen.

Beruhigend, dass eine in diesem Tal sich befindliche Hohlenruine, die zudem durch ihren derzeitigen Zustand ein hervorragendes Beispiel für den allmählichen Zerfall einer einst großen Höhlenhalle darstellt, bis heute nicht erkannt und ergraben und vor einiger Zeit von mir als sichere Fundstätte der Denkmalpflege gemeldet werden konnte. Erste Funde liegen der Denkmalbehörde seit längerem vor.
Fund von einer unbekannten Höhlenruine, die in keinem Höhlenkataster vorkommt.
Sie wird bislang auch nicht vom Denkmalschutz erfasst.
Die gezeigte Spitze trägt deutlich Spuren von Kalksinter und damit, dass
sie aus einer Höhle kommen muss.


Becker, der mehrere Forschungen in Schelklingen leitete und anleitete war im Weltkrieg nach dem damaligen Sprachgebrauch "Heeresgeologe", eine Art militärischer Geologe, von Berufs wegen aber auch Chemiker. Er war vereidigter Sachverständiger des Hauptzollamtes Frankfurt a M. sowie des Oberlandesgerichtes des Landgerichtes und der Handelskammer Frankfurt für chemische Untersuchungen und geologische Gutachten. Außerdem war er Sachverständiger der Aussenhandelsstelle der Lederwirtschaft Berlin und Mitinhaber des Chemisch-technischen und hygienischen Institutes Prof. Dr. Heinrich Becker in Frankfurt a. M. Die Teilnehmer der Grabungen dieser Tagung sind namentlich bekannt.
Die Forschungsgenehmigungen im Jahre 1926 sind nur auf den ersten Blick erstaunlich, denn die Höhle dürfte zu dieser Zeit womöglich "als gänzlich aus gegraben" gegolten haben. Oscar Fraas, der erste Ausgräber, der hier zusammen mit Pfarrer Hartmann  1870 und 1871 grub, fand vor allem Faunenreste von Mammut, Höhlenbär, Wildpferd und Rentieren. Der berühmte Gründer der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte Rudolf Virchow tagte 1872 unter anderem  in Schelklingen und die Höhle wurde für eine Begehung begehbar hergerichtet, außerdem zum ersten Mal mit einem Gitter versehen. 

siehe auch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Gesellschaft_f%C3%BCr_Anthropologie,_Ethnologie_und_Urgeschichte

Die Tagungsteilnehmer des Anthropologischen Vereins konnten sich aus den zu diesem Zeitpunkt noch in Schelklingen sich befindenden Grabungsfunden von Fraas Andenken aussuchen und mitnehmen. Die restlichen Funde wurden in das Königliche Naturalienkabinett nach Stuttgart verbracht. Es soll ein ganzer Eisenbahnwaggon dafür notwendig gewesen sein. Der Prähistoriker R.R.Schmidt ordnete die Steinartefakte von Fraas dem Aurignacien und dem Magdalenien zu und als er selbst im Jahre 1906 die Höhle untersuchte, stieß er auf keine archäologischen Schichten, so wird berichtet. So gesehen verwundert es nicht,  dass es auch anderen Forschern nahezu problemlos möglich war, dort ihren Spaten an zu setzen. Wenn man die Grabungsergebnisse von Riek, später von Hahn und alle neueren, wahrhaft spektakulären Grabungsergebnisse betrachtet, können die Eingriffe der ersten Forscher nicht besonders tief gegriffen haben, denn die Stratigraphie, die uns erst kürzlich die älteste Kunst der Menschheit, u.a. in Form der Venus vom "Hohle Fels" beschert hat, muss in den tieferen Horizonten intakt sein und war den ersten Forschern verborgen geblieben.
 ( u.a. brachten die Funde auch die sehr merkwürdige, undeklinierte Form der Höhlenbezeichnung, Die Auseinanderschreibung von Adjektiv und Subjektiv ohne Deklination entspricht nicht der deutschen Rechtschreibung und scheint sich entgegen der tradierten Bezeichnung Hohlefels, die auch in den Verwaktungsakten der Stadt über lange Zeit belegt ist, nun durchsetzen zu müssen. (Was man bei aller Unterschiedlichkeit der Höhlenbezeichnung und der Entwicklung dieser nicht vergessen darf ist, dass sie vor allem mundartlich geprägt war und die Höhle auch lange Zeit von der ansässigen Bevölkerung als "Bärenhöhle" bezeichnet wurde, was sicherlich noch mehr Verwechslungsgefahren bot.)


Weitere Quelle: Gemeinderatsprotokoll Band 31, Blatt 212. Verhandelt Okt. 1925. §290.
Der Verein für Höhlenkunde in Frankfurt a.M. dessen Mitglied die hies. Stadtgemeinde ist, beabsichtigt im September 1926 im Hohlefels und in den benachbarten Höhlen prähistorische Grabungen vorzunehmen und bittet um Genehmigung im hohlen Felsen und um Übernahme der Kosten für Beförderung des Gepäcks und ev. der Kommission. Beschluss: Sich mit der Vornahme von Grabungen in hohlen Felsen einverstanden zu erklären und etwaige Beförderungskosten für Gepäck und die Komission auf die Stadtkasse zu übernehmen. Unterzeichner: Stadtschultheiß, Ratsschreiber, 15 Gemeinderäte. Entschuldigt von diesem Beschluss sind durch Abwesenheit: Roser und Hepperle. 


siehe auch:  
 http://www.geo.uni-tuebingen.de/?id=3017
Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Urgeschichte — Band 4 (1995) Mit dem Radio unter die Erde. Die Forschungsreisen des Dr. Hans Karl Becker. R.Bollow 1995.

welcome visitors from Iran. 

Sonntag, 3. Januar 2016

590. Post. Gekieltes...

Da auch Kielstichel und gekielte Kerne schlicht Kerne sind, begibt man sich mit der Bezeichnung Kern nicht auf ein gewagtes Datierungs- Glatteis...


Jedoch: Ein Bisschen Glatteis muss sein....
Das Stück ähnelt einem gekielten Kern vom Wippinger Höfermahd, der sich in der Prähistorischen Sammlung des Ulmer Museums befindet. Die Spitze wurde durch den Abbau von Abschlägen erzeugt und an der Spitze wurden wie am Wippinger Stück Lamellen abgebaut. Der Kern im Ulmer Museum kommt vermutlich aus dem Aurignacien.
Eine Kluft im Material störte das weitere Vorhaben.Die Lamellen blieben teilweise stecken.



Irgendwann werden vielleicht für das gesamte Material meiner Sammlung kompetente Analysen folgen. Die Steine selbst behalten ihre Aussagen, auch wenn längst keiner mehr weiß, wer 2016 auf der Blaubeurer Alb unterwegs war und schneller als der Pflug sein wollte. Dafür weiß man vielleicht einmal, wer zu welchem Zeitpunkt an dieser  "gewagten Nase" versuchte Lamellen ab zu lösen...
Ob nun Glatteis oder nicht - Es wäre wohl das größere Wunder, wenn im Umfeld von Höhlen, in denen das älteste Kunstschaffen der Menschheit durch die ersten, modernen Menschen belegt sein soll, keine Hinterlassenschaften aus dieser Zeit mehr zu finden wären. Es muss sie geben - und man wird sie finden!

589. Post. Verworfene Pfeilspitzenvorarbeit.

Neben perfekten Pfeilspitzen, erbrachte die Oberflächen -absammlung auch eine Vorarbeit dazu, die schön zeigt, dass bei aller Perfektion zu der die neolitischen Steinschläger in der Lage waren, nicht allles glückte.

Klüfte im Rohmaterial machen es manchmal unberechenbar...und damit schaden sie wohl mehr einem brauchbaren Ergebnis als unsachgemäßes Vorgehen.  


In einschlägigen Werken und Aufsätzen zur Artefaktmorphologie, finden sich nur selten bis gar keine Stücke dieser Art, wohl auch weil hier die Grenzen zwischen Fakten und Spekulationen fließen.
Derbe stecken gebliebene Retuschierversuche führten nicht zu dem
ebenfalls auf diesem Flurstück gefundenen perfekten Ergebnis rechts im Bild.

588. Lithisches Suchbild

In diesem Bild ist ein kleiner Kratzer versteckt. Finde ihn!



Ventralseite des  derben Kortexabschlages der Grundproduktion
Ah... jetzt... ja,....
klein

fein

und abgenudelt....

Großformatige Stücke mit relativ kleinen Funktionsenden sind recht häufig.
Endretusche

Samstag, 2. Januar 2016

587. Post...Neues Jahr, Neues aus neolithisch dominierter Pingennähe...

 

"Anachronistisches" von einer Fundfläche in unmittelbarer Nähe der Pingen vom Borgerhau aus einem neolithisch dominierten Kontext.

 

Ein "Uniface" zum Jahresbeginn und in diesem Zusammenhang etwas über grundsätzliche Probleme ein Artefakt zu beurteilen. Neolithische Inventare erfahren in der Regel weniger Aufmerksamkeit und Forschungsintensität, auch weil sich diese Zeit nicht ausschließlich aus den Steingeräten erschließt. Feutchtbodenerhaltungen bieten hier oft ungeahnte Überraschungen. Der Fokus der Urgeschichtlichen Forschung liegt zweifellos auf den Artefakten früherer Zeitstellungen. Das macht Abgrenzungen schwierig. Bei deckungsgleicher Morphologie bleibt oft nur der Eindruck des gesamten Habitus, eventuell eine patinierte Oberfläche, als Unterscheidungskriterium übrig. Für geschlossene Höhleninventare stellt das kein großes Problem dar, wobei es bei Oberflächeninventaren schon scheitern kann, ältere Zeitstellungen überhaupt zu finden und wenn zu erkennen und von jüngeren Artefakten zu unterscheiden. Beschädigungen und Einflüsse im Pflughorizont müssen für alle Artefakte dort gelten und können kaum ein Unterscheidungskriterium darstellen. Vergleiche mit Höhleninventaren müssen als Reverenzmaterial herangezogen werden. Dem gemeinen Sammler ist dies jedoch nur anhand von Abbildungen möglich.

 

Etwas wie aus der Zeit gefallen, wirkt ein Werkzeug, bei dem mir während des Versuchs es morphologisch an zu sprechen auffiel, dass sich mit meinen Worten eigentlich auch die Definition von mittelpaläolithischen Winkel- bzw. Spitzschabern erfüllt.

Dies zeigt, wie wichtig es ist, möglichst genaue Ansprachen zu wählen und auf Details zu achten, aber auch, wie sehr die Erfahrung im Umgang mit Steinwerkzeugen eine Rolle spielt, wenn es um kulturelle und zeitliche Zuweisungen gehen soll.  

Versuch einer Ansprache:

Dorsal: zeigt das Artefakt im Bild hier links und oben Funktionskanten, die   in einem leicht spitzen Winkel aufeinander zustoßen.

mehr breit als lang:

Dorsalseite eines Abschlages. Auf der Dorsalseite ein
vorangegengener Steckengebliebener Abschlag, der die
Seite mit dem langen Schlagflächenrest markiert. Der Schlagpunkt liegt rechts.
 Unterhalb dieses "Steckenbleibers" zeigt das Artefakt nach...

...Ventral:

hier links, unterhalb des ausgeprägten Bulbus, sowie auf
dem Bulbus selbst Ausdünnung, also flächige Retuschen
um den Querschnitt des Objektes zu verringern. Dies ist
vielleicht erklärbar durch den Glanz auf allen erhabenen
Stellen von Ventralseite und Dorsalseite, den ich als Politur
interpretiere, wie sie durch Reibung entsteht, wenn ein
Artefakt geschäftet war. Die rechte Seite im Bild zeigt
die Ventralseite auf  deren rechter Kante , sowie auf der oberen
Kante die Retuschen nach dorsal gehen und die beiden
Funktionskanten (Schneiden) tragen.
Die Kante gegenüber des langen, für eine Funktion retuschierten
 Distalendes der Grundform (oben)
zeigt wenige Retuschen zur Reduzierung des Querschnitts.
auf dem langen Proximalende (unten)
 Stimmt meine Schäftungstheorie erfolgte dies, um die Kante
diesbezüglich zu optimieren, -war nicht geschäftet und die Politur
hat andere Gründe, könnte hier der Versuch dokumentiert sein,
eine weitere (dritte) Funktionskante zu schaffen. Unten
 im Bild liegt der lange Schlagflächenrest.
distal, vom Schlagpunkt ausgehend wäre auch eine Bezeichnung
als Endretusche möglich.

rechtslateral

Distal

Laterale und Distalende enden in einer Spitze und was spricht eigentlich gegen einen Bohrer?

 

Ein Stück aus alter Zeit oder nur aus der Zeit gefallen?  Vor allem die meist völlig unzureichenden und wenigen morphologischen Auswertungen (- von wenigen Siedlungsgrabungen, so beispielsweise von Kind im Falle von Ulm-Eggingen  ausgenommen -) von neolithischen Inventaren führt dazu, dass Abgrenzungen zu paläolithischen Erscheinungen so schwierig sind. Das mag ein Grund sein, warum sicherlich viele letztlich nicht eindeutige Stücke von Oberflächenabsammlungen nicht in Arbeiten erscheinen und so wird es vielleicht auch diesem Stück ergehen. Selten sind Stücke dieser Art in Inventarlisten mit näheren Bestimmungen ausgestattet und gehen als "grobe Uniface" in der Fundmasse unter.Gebrauchsspurenanalysen an neolithischen Geräten sind bislang selten durchgeführt worden. Leider stehen Unsereinem, dem Sammler und Heimathirsch  nur "Hausmittel" zur Verfügung und ich könte mir aber gut vorstellen, dass ein Teil dieser derben Geräte zur Holzbearbeitung Einsatz gefunden haben könnte, zumal Felsgesteingeräte hier zu den seltenen Artefaktkategorien zählen und Beile und Dechsel aus Feuerstein gar nicht vorkommen.