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Sonntag, 28. April 2013

449. Funktion: Bohrer.

Die Ansprache von modifizierten Artefakten nach ihrer Funktion ist meist unzweifelhaft bei Bohrern gegeben.
Oft lösen in Foren die Ansprachen von modifizierten Artefakten, etwa bei Schabern oder Kratzern Diskussionen aus, weil ihre tradierten, ursprünglichen Bezeichnungen mal nach Funktion (Bohren, schaben, kratzen), mal nach Erscheinungsbild (Schuhleistenkeil...) getroffen wurden. Eine einheitliche Morphologie hat sich noch nicht wirklich durchgehend durch gesetzt. Oft sind die Funktionen fließend und lassen verschiedene Interpretationen zu, beispielsweise, wenn Kratzer noch zusätzliche Lateralretuschen aufweisen in der Weise, über die Schaber definiert werden. Prof. Dr. Kind hat in dem Band "Steinartefakte", erschienen im Kerns Verlag, auf diese Problematik ebenfalls sehr anschaulich hin gewiesen. 
Nach den Projektilen, den Pfeilbewehrungen, sind es vor allem die Bohrer, die wenig Interpretationsspielraum zu lassen. Lediglich zwischen diesen beiden Kategorien scheinen manchmal die Grenzen zu fließen. Bohrer werden seit Mitte des 19. Jh. beschrieben. 

Der Großteil aller Bohrer jedoch lässt sich seit vor allem jung paläolithischen Zeiten bis zum Ende der Steinzeit relativ gut bestimmen. Vorher folgen sie keiner bestimmten Systematik. Im Jungpaläolithikum sind sie noch ein akzessorischer Bestandteil von Inventaren und spielen keine vorherrschende Rolle. Das verstärkte Aufkommen von Behausungen, Kleidung und Gegenständen mit Loch oder Löchern wie Perlen, Anhänger, Schmuckschnecken, Nadeln, Rondelle, Lochstäbe und Harpunenbasen stehen damit in Zusammenhang. 
Was jedoch in der Regel ohne wirkliche Beantwortung bleibt ist die Frage,   w a s  letzlich damit bei dem vermehrten Aufkommen im Neolithikum gebohrt wurde, besonders wenn an Fundstellen wie auf Sonderbuch Grund eine auffällig hohe Fundfrequenz dieser Artefakte erscheint und sie eine markante Rolle gespielt haben müssen. Eine deutliche Vorliebe für eine bestimmte Grundform lässt sich auch erkennen, da für die Herstellung überwiegend Klingen verwendet wurden. Nahe liegend ist, dass die zu durchbohrenden Materialien wohl organischer Natur waren und deshalb in aller Regel ohne Erhaltung geblieben sind. 
Sicherheit geben in neuerer Zeit die Gebrauchsspurenanalysen. Mikrogebrauchsspuren sind überwiegend an Bohrern aus bandkeramischen Inventaren fest gestellt worden. Hier ist das Bohren von Holz und Haut belegt. Wichtige Erkenntnis ist auch, dass nicht immer die Spitze entscheidend also die Bohrfunktion von Bedeutung war, sondern damit auch Löcher in Holz ausgeweitet wurden. Dem gemäß befinden sich die Gebrauchsspuren an den lateralen Kanten des Artefakts. Die Kanten scheinen oftmals sehr viel mehr in Gebrauch gewesen zu sein, vielleicht aber auch ein Hinweis darauf, dass sie entweder nicht immer geschäftet waren, oder man die Stücke erst zu Bohrern umarbeitete, nachdem die Kanten nicht mehr zu gebrauchen waren.
neue Bohrer aus Sonderbuch:

Nahezu 100 Bohrer sind mittlerweile auf einer einzigen Fundstelle erfasst worden. Die hohe Zahl fiel sowohl bei einer archäologischen Untersuchung (Grabung) auf, als auch durch Lesefunde. Sie scheinen damit gleichermaßen in Gruben gelangt  als auch auf den Oberflächen zurück geblieben zu sein. Die Häuser der Stichbandkeramik weisen noch Längen bis zu 40m auf. Bohrer finden sich auf der gesamten Siedlungsfläche und es ist nach meinem Eindruck nicht von Aktivitäszonen aus zu gehen an denen sie konzentriert auftreten.  Nur Einzeleinmessungen könnten  das sicher belegen.

Sehr feine, kleine Bohrer einer Fundstelle, die neben der Stichbandkeramik auch linienbandkeramische Komponenten aufweist.
Die frühe Linienbandkeramik ist in Bezug auf die Keramik, den Hausbau und das Werkzeuginventar noch relativ einheitlich. Die Stichbandkeramik, die auf Flur Grund nachgewiesen wurde datiert zwischen 4900 - 4500 vor Christus und ist schon stark regionalisiert. Ist das erhöhte Aufkommen von Bohrern der Sonderbucher Siedlung auch ein regionales Spezifikum?

Nach der gängigen Morphologie weisen Bohrer definitionsgemäß zwei retuschierte Kanten auf, die sich in einer deutlichen Spitze treffen. Die Retusche ist meist dorsal angebracht, kann aber auch ventral oder alternierend angelegt worden sein. (Zit: Die Silexgeräte der Linienbandkeramik, des frühen Mittelneolithikums und der Rössener Kultur,  Birgit Gehlen in Steinartefakte, Kerns Verlag) 




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