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Donnerstag, 5. August 2021

675. Post. Die Gefahr ist groß, etwas zu verlieren, das wir noch gar nicht kennen, oder niemals erkennen werden: Straßenbau im Denkmalgebiet.

Nicht vom Grund, aber von einer dazwischen liegenden, durch weitere, vermutlich mesolithische und paläolithische Komponenten auf der Oberfläche in den Fokus der Begehungen gerückten Fläche: 

Flintensteine finden sich überall auf allen Ackerflächen und sind zumeist, wenn nicht von Steinschlossgewehren zu Jagd und Feldschutz herrührend, meist von Kriegsereignissen zeugend. Die Provenienz ist dabei meist klar: Diese Flintensteine stammen aus Frankreich und lassen sich einer dort ansässigen Manufaktur zuweisen: Meusnes, im Departemet Loire-et- Cher. 
(3) (PDF) Flintensteine. In: Steinartefakte vom Altpaläolithikum bis in die Neuzeit. Tübingen Publications in Prehistory (Tübingen 2012) 961-972. | Jürgen Weiner - Academia.edu
Vor allem im Mittelneolithikum /( zwischen 4900 und 4500 v. Chr. ).  immerhin war auch das Rad schon erfunden, fällt auf den Siedlungsstellen eine Vielzahl von teilweise weit entfernten Provenienzen und eine gewisse Vielfalt von Rohstoffen auf, die auf regen Handel über teilweise weite Strecken schließen lassen. So war es möglich, dass im Mittelneolithikum bereits der Feuerstein aus wahrscheinlich Meusnes den Weg auf die Blaubeurer Alb gefunden hat. Heute fliegen an dieser Stelle Segel- und kleine Motorflugzeuge, vor langer Zeit war es eine kleine Pfeilspitze, die, so klein sie auch ist, eine großartige Geschichte erzählt: eine Geschichte vom Fliegen vor 7000 Jahren.
 

Auch aus Meusnes, aber  als Pfeilbewehrung für die Jagd vor Jahrtausenden und nicht für ein Steinschlossgewehr und bisher einmalig.


Scheinbar nur Weites Land, Ackerland, aber dem kundigen Auge zeigen sich flache Erhebungen, die von Großgrabhügeln rühren. Auf fast allen bekannten Grabhügelgruppen finden sich Bodendenkmäler, Hinterlassenschaften unterschiedlichster Art zwischen den augenfälligen Erhebungen und eine Hügelgruppe im ungestörten Zusammenhang durch Straßen zu zerschneiden ist aus meiner Sicht wohl kaum ohne Not zu verantworten- zumal es kaum jemand von den Bewohnern der Umgebung will. Jeder Bodeneingriff vermindert auch die Chance, sie vielleicht jemals zu erkennen oder beseitigt sie gar für immer. Was noch schwerer wiegt sind mögliche Denkmale, die sich nicht so offensichtlich obertägig verraten.
Der heutige Feldwegweg, der bald zweispurige Kreisstraße werden könnte, streift bereits stark den Hügelfuß und eine Verbreiterung bedeutet das sichere Ende des Zeugens einer großartigen Bestattungskultur der Oberschicht in der Eisenzeit. Auch hier das Beste wie oft zum Schluss: Von den Bestatteten ist die Siedlung auf der sie lebten noch nicht gefunden und von allen weiteren Bewohnern, z.B. über die gesamte Alt- Mittel - und Jungsteinzeit hinweg fehlen die Friedhöfe. Auch Siedlungen und weitere Bestattungsplätze liegen hier irgendwo auf der Hochfläche, möglicherweise auch sehr oberflächennah oder sind nur noch durch verlagerte Grabbeigaben im Pflughorizont zu eruieren. Eine harte, großflächige Prospektion wird das niemals erfassen. Jahrelange Begehungen und Lesefunde aber möglicherweise doch. 
Im Bildvordergrund der durch den Feldweg angeschnittene Hügel, im Bildhintergrund ein zweiter, dem es durch einen Neubau der Kreisstraße vielleicht erspart bleibt, Geschichte zu werden.



Unabhängig von den denkmalpflegerischen Belangen, gehe ich persönlich davon aus, daß wir ein neues Lehrstück für die Entstehung von Politikverdrossenheit und Zweifel an der parlamentarischen Demokratie erleben werden. Aber nur, wenn die ignorante Umsetzung der Pläne gegen eine weit überwiegenden Ablehnung der betroffenen Bevölkerung vor Ort stattfinden  wird. Eine erste, öffentliche Veranstaltung des Kreistages ließ keinen Zweifel daran, dass Geld in diesem Falle scheinbar  keine Rolle spielt. Ein weiteres Lehrstück scheint es mir in Bezug auf Framing und Nudging zu werden. 

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