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Sonntag, 12. Februar 2017

632. Post. Ausstellung zur Ortsgeschichte in Blaubeuren-Asch

Ein Beitrag von UMGEPFLÜGT, Sammlung Robert Bollow, Sammlerblog im www.


Der erste Ascher war ein Neandertaler


Begleittext für eine Ausstellung zur Ortsgeschichte in

Asch am 12. März 2017. Urgeschichte. 

Öffnungszeit 12:00 bis 18:00 Uhr
Sammler zeigt Steinzeitliche Artefakte von der Ascher Markung.

Wenn wir "Steinzeit" sagen, entdecken und verstehen wollen, muss uns bewusst sein, dass wir damit pauschal einen Zeitraum von 3 Millionen Jahren zu fassen versuchen.

Wenn die Gegend um Asch, die Blaubeurer Alb, "schon in der Steinzeit von Menschen aufgesucht wurde", wie man das öfter liest, dann meinen wir den ebenso pauschalen Zeitraum von drei Millionen Jahren, in denen der Mensch bedeutende Schritte auf dem Weg zur Kultur und Zivilisation genommen hat. Vor ca. 2,6 Millionen Jahren entstanden die ersten bekannten Steinwerkzeuge. 

Dabei können wir das für die Blaubeurer Alb sehr viel genauer sagen.

Es stellt sich nämlich "die Steinzeit" über einen unvorstellbar langen Zeitraum räumlich und kulturell unter sehr verschiedenen klimatischen Bedingungen von den ersten Werkzeugen und Waffen, bei der Nutzung des Feuers, den ersten Häusern oder Schaffung der ersten Kunstwerke immer wieder völlig anders dar. Und wenn wir versuchen die Steinzeit allein durch die lithischen Zeugnisse- über die Namen gebenden Steine - zu erfassen, muss klar sein, dass das Fenster das sich jeweils öffnet nur ein sehr kleines sein kann und mehr war als der Gebrauch von Steinen. Steinzeit ist die Zeit, in der die Metalle und ihre Nutzung noch nicht entdeckt waren und der Werkstoff Stein scheinbar dominiert, während die damit bearbeiteten Werkstoffe vergangen sind. 

Erste Zeugnisse der Menschheitsentwicklung in Europa stammen aus der Altsteinzeit, dem Paläolithikum. Es ist die Zeit des Homo Heidelbergensis, des europäischen Homo erectus. Dieser hat als erster Afrika vor 1,5 Millionen Jahren verlassen und wanderte hier ein. Die Beherrschung des Feuers bildete dabei die wichtigste Grundlage für das Überleben in dem damals herrschenden rauen Klima einer Eiszeit. 
Afrikanischer Faustkeil, Paläolithikum, Homo erectus.
(Sammlung Bollow)


 Das Mittelpaläolithikum - die Zeit des Neandertales

Aus den Einwanderern Afrikas entwickelte sich in der Zeit von 300 000 bis etwa 38 000 Jahren eine Bevölkerungsgruppe, die wir nach ihrem ersten Fundort Neandertaler nennen. Wenn man so will, war das der europäische Versuch einen modernen Menschen zu entwickeln, der in einer Sackgasse endete, den damals herrschenden klimatischen Bedingungen aber hoch angepasst begegnete.

Anders als der altpaläolithische Homo erectus trotzte der anpassend sich entwickelnde Neandertaler als erster dauerhaft dem Wetter und konnte sehr kalte Klimaphasen überleben. Neben dem schon von Homo erectus entwickelten Faustkeil, hatte der Neandertaler auch sein Gerätespektrum den Lebensbedingungen angepasst, es erweitert, verbesserte die Abschlagtechnik und perfektionierte die Herstellung seiner Werkzeuge. Das Mittelpaläolithikum kann so oft recht gut von späteren Werkzeugindustrien unterschieden werden. In Asch und Umgebung hinterließ er einige Werkzeuge, die immer wieder auf den Äckern gefunden werden.

"Neanderl" fand auch den Weg nach Blaubeuren und in Sonderbuch, Wippingen und Asch treten aus dieser Zeit erstmals Werkzeuge auf, die der Neandertaler auf den alten eiszeitlichen Flächen zurückließ. Sie sind, noch nicht alle näher bestimmt- Die Fundschichten der nahen Großen Grotte die sehr alte Neandertalerartefakte enthielten, liegen zwischen 50 000 und 100 000 Jahre vor heute und einzelne Funde sind mit den Oberflächenfunden rund um den Borgerhau vergleichbar. Diese ersten, mittelpaläolithischen Oberflächenfunde, die zuerst auf Wippinger, dann Ascher und zuletzt Sonderbucher Markung gemacht werden konnten, weckten auch zurecht das Interesse der Universität Tübingen.
Aus dieser Zeit kommt aus Asch ein sogenanntes Keilmesser. Keilmesser gelten als Leitform bei den Werkzeugen des Neandertalers. Ein Werkzeug des ersten Aschers womit der Beweis schon geführt scheint: Der erste Ascher war ein Neandertaler! Noch sprechen die Wissenschaftler von "vermutlichen Keilmessern"- ein Ähnliches kommt aus Wippingen - und Datierungen sind ohne den Kontext von Schichtenabfolgen auch nur vage anhand formaler, morphologischer Kriterien möglich. Diese in Ausstellungen oft gehörte Frage nach dem genauen Alter wird auch nach der Ausstellung im Ascher Rathaus deshalb offen bleiben. Die Angaben des Alters des vermutlichen Keilmessers muss seriöserweise deshalb angegeben werden mit mindestens 38000 Jahren, jenem Zeitpunkt, an dem der Neandertaler aus unseren Breiten verschwunden scheint. Die ersten modernen Menschen sollen 40000 oder gar 42000 Jahre alt sein und sind sich zumindest in den Höhlen nach den Fundlagen hier wohl nie begegnet. Während der Faustkeil zwei Schneiden aufweist, bzw. unilateral in schneidender Funktion eingesetzt werden konnte(-Biface), weist das Keilmesser nur eine Schneidenseite auf -(Uniface), also war salopp gesagt ein "halber Faustkeil", meist mit stumpfem, unbearbeitetem oder auch verdünntem Rücken.
Blattspitzenfragment von der Markung Sonderbuch im Zusammenhang mit Umzeichnungen von mittelpaläolithischen Funden der Großen Grotte, von E. Wagner.

Das gehörte nach heutigen Gemarkungsgrenzen dem "ersten Sonderbucher"...
Eine der "Neuheiten des Mittelpaläolithikums" sind mit Holz geschäftete Geräte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Werkzeuge in der Hand geführt und man kann noch heute bei den alten Geräten die ausgezeichnete Haptik nachempfinden. Die jetzt immer kleinformatigeren Geräte bekommen jetzt Handhaben z.B. aus Holz und sie ersetzen langsam aber sicher die bisherigen, immer weiter verfeinerten Faustkeile. Auch die Rohmaterialien stammen nun aus größeren Schweifgebieten der Jäger. Besonders die nahe gelegene Große Grotte, die einen idealen Ausblick auf das Jagdgebiet geboten haben muss, wurde über längere Zeiträume auf gesucht. Sie ist von Sonderbuch aus von der Hochfläche der Blaubeurer Alb von der ebenfalls nun Funde nach gewiesen sind über einen Bergsporn in wenigen Minuten zu erreichen, ohne das Tal betreten zu müssen. Die Funde der Hochfläche mit denen der Großen Grotte zu vergleichen ist naheliegend. Diese Funde datieren "im Großen und Ganzen in das übliche Albhöhlen-Mousterien (Zit.+ E:Wagner, Diss.), dem La Quina nahe." Die nächstgelegenen mittelpaläolithischen Fundpunkte sind die Sirgensteinhöhle im Achtal, der Hohle Fels und der Kogelstein in Schmiechen. In den mittelpaläolithischen Schichten des Hohle Fels dominiert der Hornstein als Rohmaterial deutlich. 
Beim Tag der offenen Höhle 2016 war auch das vermeintliche Ascher Keilmesser zu sehen.
Warum so viel Aufhebens um einzelne Artefakte?
Kennzeichnend für die Entwicklung des Mousterien de Tradition Acheuleen in Westeuropa ist vor allem die Levallois- Methode bei der Werkzeugherstellung. Es geht noch mit hinein in die Industrien des finalen Mittelpaläolithikums. Die letzten eindeutigen Industrien sind hier die sogenannten Keilmesser- und Blattspitzengruppen, ihre Entsprechung im östlichen Europa ist das Miqoquien.

Die Datenlage auf der Schwäbischen Alb was Inventare dieser Zeit angeht, ist schlicht dürftig und lässt sich nicht leicht fassen, die Funde an eindeutigen Geräten ist karg, vor allem verglichen mit den Funden des Aurignacien ( auf das Mittelpal. folgt in den Straten stets ein Hiatus- eine fundleere Schicht, die die Hinterlassenschaften des Neandertalers vom modernen Menschen zeitlich trennt.), obwohl die meisten Höhlenfundplätze diese Zeithorizonte aufweisen. Man führt die Fundarmut in erster Linie auf die geringe Besiedlungsdichte zurück. 
Die Inventare der Höhlen zeigen sich heterogen, lassen sich den Blattspitzengruppen nicht zuordnen und werden daher allgemein formenkundlich als levalloid bezeichnet. Die Inventare gelten morphologisch als eher einfach. Die Stratigraphien der Höhlen gehen in keinem Fall nach Meinung einiger Forscher über 45 000 vor heute hinaus.
Das bekannteste altpaläolithische Artefakt ist der zweischneidige Faustkeil, das Mittelpaläolithikum war aber viel mehr, die große Masse der Werkzeuge weit weniger spektakulär, eher unscheinbar. Solche "einfachen Stücke" aus der Masse später datierender Artefakte heraus zu filtern und zu erkennen ist genau so schwierig wie spannend...Arachäologen wie ehrenamtliche Feldbegeher versuchen hier vor allem durch gezielte Prospektionen die vielen offenen Fragen zu beantworten 

Was kam nach dem Neandertaler?

Das nachfolgende Jungpaläolithikum bzw. die Folgekulturen werden geprägt von einer zweiten Einwanderungswelle, diesmal des modernen Menschen, Homo sapiens sapiens aus Afrika. Diesen Zeitraum prägten grob ebenfalls zwei Kältephasen. Sie Einwanderung fällt in die Kaltphase der süddeutschen Würm-Eiszeit, die vor 37000 Jahren ihren Anfang nahm. Sie beginnt mit der Kulturstufe des Aurignacien. Im Verlaufe der Forschungsgeschichte hat man diesen Menschen verschiedene Namen gegeben. Neben Homo sapiens, sapiens ist auch noch die Bezeichnung Cro Magnon-Mensch gebräuchlich. In Baden-Württemberg konzentrieren sich die bewohnten Höhlen und Höhlenvorplätze im Wesentliche auf drei Täler von Flüssen, die allesamt in die Donau münden: Lonetal,(Stadel, Hohlenstein/Bärenhöhle,Vogelherd) Aachtal (Hohle Fels, Brillenhöhle, Geißenkösterle, Sirgenstein)  und das Tal der Lauchert (Göpfelstein,Nikolaushöhle und Schafstall). Die lithischen Hinterlassenschaften sind bislang auf den Flächen um Sonderbuch, Asch und Wippingen wie gesagt seit kurzem ebenfalls nachgewiesen.


Der eingewanderte Homo sapiens  löst allmählich die Zeit des Neandertalers ab und setzt sich trotz erneuten Klimaschwankungen dauerhaft als Bewohner Mitteleuropas durch. Er muss auch zeitweise zeitgleich mit den Neandertalern gelebt haben, jedoch fand sich bisher keine gemeinsame, zeitgleiche Fundstelle, die das auch sicher belegt. Sapiens hinterließ die ersten Zeugnisse seiner Geräteherstellung vor allem in den Höhlen und auf den wenig erforschten Höhlenvorplätzen. Hier wartet mit den Hochflächen der Alb sicher ein hoffnungsvolles Forschungsgebiet auf künftige Archäologen. Der Nachweis war nur eine Frage der Zeit, da die alten Oberflächen teilweise noch ungestört erhalten geblieben sein dürften. Vielfach schlummern noch Nachweise in Sammlungen. Auch bei zahlreichen kleineren Rohmaterialvorkommen der Alb stellt sich die Frage, ab wann sie wohl erkannt und ausgebeutet worden waren. Es besteht aus verschiedenen, auch klimatischen Gründen kein Zweifel, dass die Alb von paläolithischen Jägern stark begangen war. Nicht alle rückenretuschierten Klingen oder Kerne der Oberflächen müssen, weil in neolithischem Kontext gefunden auch neolithisch sein, und erste Belege führt die Bachelorarbeit von Benjamin Schürch.
Spätere Techniken fußen weitgehend auf den älteren oder setzen Traditionen fort. Zu sicheren Erkenntnissen gehören auch geschlossene Befunde. Oberflächenfunde alleine sind zu einem sicheren Nachweis weniger zielführend.
Dass die Aurignac-Leute überwiegend im Freiland in Zelten oder Hütten wohnten gilt als sicher. Die Funde an und in den Höhlen sprechen allesamt für ausschließlichen Aufenthalt zwischen Frühjahr und Herbst. Eine große Freilandstelle wurde von Joachim Hahn zum Vergleich im Kreis Euskirchen gegraben, während der Nachweis hier lange fehlte. Vor allem durch die ehrenamtlichen Sammlungen werden wie gesagt hier gerade derzeit Beweise geführt und Fundbelege ausgewertet.

(Endlich:  29.12.2015. Die ersten Nachweise paläolithischer Artefakte scheint geglückt, dank Professor Harald Floss und Benjamin Schürch)


Das Mesolithikum
Um 9500 vor Christus begann die Nacheiszeit, das Mesolithikum, bzw. die Mittelsteinzeit. (Beginn in allen Teilen Deutschlands etwa 8000 v.Chr.) wieder findet also ein einschneidender Klimawandel statt, (Holozän, Nacheiszeit) der die kulturellen Veränderungen mitbestimmt. In kürzester Zeit wurde es wärmer und feuchter. Die Temperaturen stiegen im Jahresmittel um bis zu 6 Grad Celsius innerhalb weniger Jahre. Die Folgen waren eine Veränderung der Vegetation und damit auch der Tierwelt. Kultur und Jagdtechniken mussten sich gezwungener maßen ändern. Der Mensch leistete wieder enorme Anpassungsarbeit. Die großen Tierherden der eiszeitlichen Steppen verschwanden und wanderten nach Norden ab, die Hauptnahrungsquellen versiegten. Viele der Jäger zogen den Herden hinterher, den Verbliebenen blieb nur das radikale Umdenken und die Anpassung an die sich wandelnden Verhältnisse.

Aber nicht nur die gewohnte Nahrung wurde knapp. Die großflächig einsetzende Bewaldung hatte zur Folge, dass die Rohmaterialquellen (Feuerstein, Hornstein) zuwuchsen. Nicht zuletzt auch deshalb reagierte der Mensch auf die Verknappung des Rohstoffes mit einer Verkleinerung der Steingeräte. Das Rohmaterial wurde vollständig ausgebeutet, alte Werkzeuge um genutzt und weiterverwendet. Die Werkzeuge des Mesolithikums gehen größtenteils auf das voraus gegangene Jungpaläolithikum zurück, zeigen aber einen deutlichen Trend zu kleinen Formen. Die sogenannten Mikrolithen wurden aneinander gereiht in Holzschäfte eingesetzt. Sie fehlen im Gerätespektrum der Fluren um Asch und Sonderbuch bislang vollständig oder wurden nicht erkannt. Die wenigen Stücke dazu sind zweifelhaft, aber vielfach nach gewiesen ist die Rotfärbung des Hornsteins und entsprechende Kerne, von denen in dieser Zeit Geräte geschlagen wurden. Die Färbung und ein damit verbundener Glanz sind eindeutiger Beweis für das intentionelle Erhitzen des Rohmaterials, dem Tempern, für eine Verbesserung der Schlageigenschaften im Frühmesolithikum, hier Beuronien genannt. Die typischen Kerne, die auf den Ventralen starke Glanzpartien aufweisen sind auf den Feldern häufig zu finden, während die Leitformen der Kultur fehlen. Die Geräte des Mesolithikums waren wie in allen anderen Epochen sehr speziell auf die herrschenden Jagdmethoden und des Fischfangs, also die jeweilige Beute ausgerichtet. Der nächstgelegene sichere Fundpunkt ist z.B. das Helga Abri am Hohle Fels. Die Bezeichnung Beuronien geht auf den Ort Beuron im Donautal zurück, den Taute prägt. Mit ihm sind die Jägerhaushöhle, der Zigeunerfels (Unterschmeien) und die Schuntershöhle im nahen Allmendingen verknüpft. (Beuronien A) aber auch die Höhle Fohlenhaus bei Langenau hier im Alb-Donau-Kreis (Beuronien B, Fohlenhaus auch C) sowie das Felsdach Inzighofen bei Sigmaringen. Skelettreste der damaligen Menschen gibt es nur wenige. Sie kommen beispielsweise aus der Falkensteinhöhle im Kreis Sigmaringen und ein unsicher datierter Fund, ein menschlicher Schädel samt Unterkiefer aus Blaubeuren- Altental. Er gehörte zu einem Skelett das 1949 beim Anlegen eines Parkplatzes beim Schotterwerk von E.Merkle an einem Felsen im Blautal gefunden wurde. Eduard Merkle, der Besitzer des Schotterwerks barg von 1949 bis 1951 die Reste. Schädel und Kiefer befinden sich wohl noch im Ulmer Museum, während die übrigen Knochen, Stein- und Knochenwerkzeuge als verschollen gelten. Da für Standorte längeren Aufenthaltes Felsdächer (Abris) und Höhlen bevorzugt wurden und Aufenthalte unter freiem Himmel in Zelten bevorzugt an Kuppen oder vorspringenden Erhebungen im Gelände in der Nähe von Quellen, Bächen und Flüssen ausgewählt wurden, bestanden diese Gunstfaktoren hier auf der Blaubeurer Alb wohl nicht. Dagegen wurden am Federsee im offenen Gelände über hundert Fundstellen erkannt.
Getemperte Kerne bzw. Material wurde schon in zahlreichen älteren Posts vorgestellt, hier im Vordergrund Kleingeräte mit Mesolithikumverdacht.

Das Neolithikum

mit der Jungsteinzeit ändern sich dann die Lebensweisen auf der Blaubeurer Alb wieder einmal drastisch...

Der Mensch wendete sich von reinem Sammeln und Jagen ab und begann mit Ackerbau und Viehzucht. Die aneignende Wirtschaftsweise wurde von der produzierenden langsam abgelöst. Der Mensch greift jetzt in die Natur ein und verändert sie. Er sät aus, anstatt zu sammeln und hält Haustiere, anstatt ausschließlich zu jagen. Diese Umbruchphase fand in Mitteleuropa im 6. Jahrhundert vor Christus statt und die Hauptmasse der immer noch in die Steinzeit datierenden Funde rund um Sonderbuch stammt aus dieser Zeit, beginnend mit den ersten festen Siedlungen der Linienbandkeramik (5500 vor Christus
Die Bevölkerungszahl des Mesolithikums war relativ hoch, die eingewanderten Bauern nur wenige, so dass sich deren DNS-Typ heute kaum noch nachweisen lässt. Die heutigen Europäer stammen von der Bevölkerung des Mesolithikums ab und es kamen mit den Neuerungen die die Jungsteinzeit prägen eigentlich mehr Ideen als Menschen ins Land. Jens Lüning bezeichnet die Träger dieser neuen Kultur zutreffend als "Entwicklungshelfer".

Bohrer von Linienbandkeramischen Fundstellen in und um Asch, Funktion. 

Replik, bandkeramischer Kumpf.

Die nun weitestgehend sesshafte Lebensweise führte zu einem raschen Bevölkerungsanstieg. Bei den ersten, festen Häusern, wie sie etwa auf dem Sonderbucher Schlaghau nachgewiesen sind, handelt es sich um bis zu 50 Meter lange und bis zu 10 Meter breite Holzbauten, in denen aber vielfach nach gewiesen nur wenige Menschen (angenommen werden Familien) wohnten. Die Viehhaltung innerhalb der Gebäude, wie sie aufgrund der Hausgrößen lange Zeit angenommen wurde, kann aufgrund negativer Phosphatuntersuchungen innerhalb der Hausgrundrisse aus- geschlossen werden.

Die Wände bestanden aus Pfosten und Flechtwerk, das mit Lehm verstrichen war. Diese Art von Wandkonstruktion wird eine lange Tradition behalten. 
Als die ersten Bauern um 5500 v. Chr. sich vor dem heutigen Sonderbuch bzw. Asch nieder ließen, hat der Mensch die Gegend aber schon mindestens 35 000 Jahre lang zu Jagdzwecken auf gesucht und wohl auch seine mobilen Behausungen hier auf geschlagen. Seit den ersten Bauern sind 7500 Jahre vergangen und die Welt steht erneut inmitten eines globalen Klimawandels, den der Mensch selbst- ohne den notwendigen Einklang mit der Natur und ihren Gesetzen selbst verschuldet hat.
Ausgrabung im Ascher Borgerhau . Pingenfeld
Das mittlere Neolithikum
Ab der linienbandkeramischen, also einer frühneolithischen Kultur erfolgte die Besiedlung auf der Baubeurer Alb kontinuierlich, ohne erkennbare Unterbrechungen weiter und findet zunächst in der Nachfolgekultur der Stichbandkeramik im Mittelneolithikum seine Fortsetzung. Sie konnte auf der Flur Grund in Sonderbuch archäologisch erfasst werden und tritt, belegt durch erste Scherbenfunde auf dem Brennerhäule wahrscheinlich auch in Asch auf.. (Stichbandkeramik etwa von 4900 bis 4500 v.Chr.)
Neolithisches Langhaus, Zeichnung R.Bollow

Die einheitlich und mitteleuropaweit verbreitete Kultur der Bandkeramik (auch LBK) hat nirgendwo eine ähnliche Nachfolgekultur mit ähnlichem Anspruch zur Folge. der kulturelle Zusammenhalt der bandkeramischen Zeit zerbrach nach ca. 500 Jahren und an ihre Stelle traten kleinräumig verbreitete Kulturen und zum Ende des Mittelneolithikums nimmt dieses Entwicklung noch zu. Mit den endneolithischen Kulturen und Kleingruppen wirkt die auch in Sonderbuch vorkommende Stichbandkeramische Kultur, wie auch anderswo Rössen noch großräumig verbreitet. Erst das dritte Jahrtausend sollte mit den beiden Kulturen Schnurkeramik und Glockenbecher wieder eine kulturelle Einheit bilden. 
Namens gebende Stichbandkeramik aus Sonderbuch

An anderen Stellen konnte belegt werden, dass die Kulturen des Mittelneolithikums ( Rössen...) die Siedlungsflächen der Bandkeramiker gemieden haben und so auch in den intakten Befunden keine Vermischungen nach zu weisen sind.- aus welchen Gründen auch immer. Auf dem Siedlungsgebiet der Aldenhovener Platte (Bayern) konnte Jens Lüning einen vollständigen Bruch zwischen Bandkeramik und Rössen nachweisen. Die alten Siedlungsplätze wurden aufgegeben und regelrecht gemieden. Die meisten Rössener Ansiedlungen wurden ohne Vorläufer neu gegründet. Die neue- politische- Lage äußert sich vor allem in verändertem, kollektivem Stilempfinden und die Keramik wird zu einem wichtigen Indiz nach dem sich Funde kulturell, regional und zeitlich einordnen lassen. teilweise gingen mit diesem Bruch im Mittelneolithikum auch die Kenntnisse über Rohmaterialvorkommen wohl deswegen verloren, weil keine Kontakte bestanden.
Zeitgleich der Stichbandkeramiker, die sich aus der Bevölkerung der Linienbandkeramik heraus entwickelt haben muss (- es sind keine Einwanderer) gab es auch das Erscheinen der Oberlauterbachgruppe und der Hinkelsteingruppe. Alle waren wie ihre Vorgänger Ackerbauern und Viehzüchter. 
Bei aller Veränderung führten die Menschen des Mittelneolithikums auch auf der Blaubeurer Alb vor allem die Langhaustradition weiter, modifizierten aber die Bauweise. Anders als auf der Aldenhovener Platte kommen auf den zahlreichen Siedlungsplätzen hier sowohl bandkeramische, als auch mittelneolithische Komponenten vor. Anderswo sind die Kulturen durch Vorlieben für bestimmte Rohmaterialien schnell zu erkennen, während der ortsnah z.B. im Ascher BORGERHAU gewonnene Hornstein hier über alle Kulturstufen hinweg dominiert. Das Rohmaterial für den  größten  Teil aller um Asch, Sonderbuch und Wippingen gefundenen Artefakte dürfte aus dem Ascher Borgerhau stammen. Möglicherweise war der Ascher Hornstein auch ein "Exportschlager." 
Zeitverschiedene Komponenten auf einer Siedlung können nicht allein durch spätere Bodeneingriffe und geologische Vorgänge erklärt werden und deshalb scheinen die Abfolgen hier anders von statten gegangen zu sein. Es gibt nur wenige archäologisch untersuchte Fundstellen, wo dies auch im Befund nachgewiesen wurde. Die Oberflächenfunde alleine lassen sich zeitlich nicht alle sicher abgrenzen, eigentlich die wenigsten. Die Vorgänge bzw. Siedlungsdynamik und ihre zeitlichen Abfolgen zu präzisieren wird deshalb sicher nicht das Ergebnis von Oberflächenbegehungen sein können, liefert aber wichtige Anhaltspunkte und sichert vor allem jedes einzelne aufgenommene Artefakt vor der sicheren Zerstörung und dem völligen Verlust. Damit möglichst viele Funde einer Auswertung zu geführt werden können, so sich denn jemals ein Forscher dafür interessieren sollte...werden die auf genommenen Artefakte mittlerweile mittels GPS, einem Satelliten gestützten System ein gemessen. Im Vergleich zu den älteren Absammlungen werden damit nur noch unter 5% aller Artefakte sichergestellt. Von Seiten der Archäologie wird dem Schaffen von verwertbaren Datensätzen eine hohe Priorität eingeräumt, die vor der Rettung aller Artefakte Vorrang erhält. Die meisten Artefakte, die der Pflug an die Oberfläche befördert bleiben ohne Fundeinmessung mittlerweile an Ort und Stelle liegen.
Jedes Bodendenkmal ist einzigartig und jedes Steinchen im Mosaik der Geschichte ist wichtig, jeder Neufund kann dieses Bild vervollständigen, jede Zerstörung fehlt unwiederbringlich im Gesamtbild.
Spitze aus französischem Silex, Jungenolithikum, Asch.


Die Oberflächenbegehungen werden wie schon mehrfach erwähnt also modifiziert weiter fort- gesetzt und liefern zwar eingeschränkte, aber wichtige Erkenntnisse. Weitere Neufundstellen sind im Laufe des Jahres zu verzeichnen und wurden gemeldet. Die Fundstellen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Fundfrequenz (- liegt dort viel oder wenig) und der Zusammensetzung. Während manche Fundstellen sich nur als sporadisch begangen zeigen, liefern andere im Laufe der Zeit ein klar zu definierendes Spektrum von Siedlungsinventar. Auf spärlichen Rohmaterialvorkommen ließen die Altvorderen nur wenige Trümmer der Grundproduktion zurück, auf Siedlungen finden sich neben Rohmaterial die Artefakte der Grundproduktion, modifizierte Geräte (Werkzeuge und Waffen), Keramik und Geräte aus geschliffenem Felsgestein (Dechsel und Äxte). Während die wenigen mittelpaläolithischen Werkzeuge von nur kurzem Aufenthalt der Neandertaler zeugen, verdichten sich die Funde auf Siedlungen der neolithischen Bauern als Zeugnisse längerfristiger Sesshaftigkeit. Naturgemäß erhöht sich die Fundfrequenz mit der Siedlungsdauer, während dünne Streuungen vom Gegenteil zeugen können, lässt man spätere Bodeneingriffe und geologische Prozesse außer acht.
Durchbohrtes Dechselfragment aus Asch, Mittleres Neolithikum
Das Jungneolithikum

Besonders in der Endphase des Neolithikums, einer Zeit äußerster Differenzierung kommt jeder einzelnen Fundstelle wegen ihrer Einzigartigkeit große Bedeutung zu. Es gibt Anzeichen, dass die Michelsberger Kultur eine Rolle gespielt haben könnte. Die Entwicklung wird in der Endzeit sehr komplex und ist inzwischen auch auf der Blaubeurer Alb nachgewiesen (Dolche, Pfeilspitzen...) Es scheint so, als ob auch eine Siedlung aus dieser Zeit mittlerweile nach zu weisen ist. Bei Asch dominieren mittlerweile die eindeutig jungneolithischen Artefakte, vor allem vertreten durch Pfeilspitzen. Resümierend kann gesagt werden, dass um Sonderbuch kleinräumig vergleichende Untersuchungen möglich sind die einen sehr langen Zeitraum der Steinzeit fassen. eine archäologische Sondage hat auch auf der jungneolithischen Verdachtsfläche stattgefunden, daneben auf einer bandkeramischen Siedlung und einer stichbandkeramischen, eine weitere Grabung fand direkt auf den Pingen des Borgerhau statt und ausschnitthaft ist damit der Zeitraum der Steinzeit schon systematisch erfasst, zumal der Zufall auch verlagerte mittelpaläolithische und mesolithische Funde zeitigte.
Jungneolithische Pfeilspitzen aus Asch
Mit dem Ende der Steinzeit ist die Besiedelungsgeschichte von Sonderbuch und Umgebung natürlich noch nicht beendet, denn auch die folgenden Metallzeiten sind groß teils auf engstem Raum vertreten...
Miniaturaxt, wohl aus bronzezeitlichem Kontext 

Bronzepfeilspitze 
...doch das ist ein anderes Kapitel…



Robert Bollow, Sonderbuch. ehrenamtlicher Beauftragter für die archäologische Denkmalpflege.

Das Titelfoto von UMGEPFLÜGT zeigt eine Pfeispitze bei der Auffindung auf Ascher Markung. Sie datiert in das mittlere Neolithikum.

Freitag, 3. Februar 2017

631. Post. Zufall und Bestimmung

Neues Jahr, neues Glück...

Finderglück wohl gemerkt, denn nach wie vor ist es die möglichst unangetastete Erhaltung der primären Geschichtsquellen im Boden, die die Bestrebungen der Denkmalpflege und ihre Mitarbeiter leiten.

Nach dem Abschmelzen der Schneedecke, erscheinen die ersten freigespülten Artefakte auf den Siedlungsflächen, aber nur dort, wo das EU-weite "Greening" nicht nur einen faulenden Verhau von gemischten Zwischensaaten erscheinen lässt, die ein Sicherstellen von Artefakten nicht mehr zulässt.

Das ist umso unerfreulicher, da im Frühjahr so etwas wie ein "Scherbenkorridor" entsteht, wenn nicht Grünzeug die Sicht verschließt. So bezeichne ich den Umstand im Frühjahr, wenn die im Herbst herausgepflügte Keramik freigewaschen wird und nicht so schnell trocknet, wie die Umgebung auf den Oberflächen und deshalb für kurze Zeit einen deutlichen Kontrast bildet und deshalb auch verhältnismäßg leicht erkannt werden kann. Die auf der Oberfläche dann nicht erkannten und abgelesenen Scherben müssen nach einem Sommer intentsiver Oberflächenbearbeitung bis zum Herbst als Verlust bezeichnet werden, zumindest was die vorgeschichtliche Keramik unserer Bandkeramiker angeht, die oft nur mit niedriger Temeperatur gebrannt wurde und kaum versintert ist und spätestestens durch die nächste Frostperiode auf der Oberfläche zerfällt. 

Doch zurück zum Finderglück:
- Ein mehrere ha großes Feld zeigte heute bei der ersten Begehung nur zwei Artefakte und beide waren modifiziert. Keine Kerntrümmer oder unmodifizierte Abschläge waren als Begleitfunde zu bergen. Zufall.
Die beiden Klingen zeigen Modifikationen / Steile Retuschen am Distalende nach dorsal, sind also endretuschiert und sollten damit artefaktmorphologisch auch schon erschöpfend angesprochen sein, wäre da nicht bei einem Artefakt noch zusätzlich eine linkslaterale Retusche nach ventral angelegt, die wie immer bei solchen Geräten auch die Frage nach der Zweckbestimmung, nach der Funktion stellt und gleichzeitig offen lässt. An dem Punkt, an dem die kleine "Kratzerkappe" nach dorsal mit der Lateralretusche zusammentrifft entstand ein einzigartiges Funktionsende, wie es nicht viele Endretuschen aufweisen und die zweckbestimmt und für das Werkzeug charakterisierend sein müssen, dessen genaue Funktion oder Bestimmung uns jedoch verborgen bleibt.
Die neuen Funde sind die direkte Fortsetzung auf den 630.Post, betreffend eine linienbandkeramische, also altneolithische Siedlungsstelle, eine von mindestens zwei auf Sonderbucher Markung.